c't 7/2017
S. 80
c’t deckt auf
China-Shops
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Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0, creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0

Smarte Schmuggler

China-Shops boomen – auch dank fragwürdiger Tricks

Zollversicherungen, gefälschte PayPal-Belege, Umwege über England: Chinesische Online-Händler erfinden ständig neue dreiste Methoden zur Umgehung der Einfuhrumsatzsteuer. Für die Kunden ist das billig und bequem, aber auch riskant.

Der Schweizer Tagesanzeiger nennt es eine „Päckliflut“: Seit 2012 hat sich die Zahl der Warensendungen aus Asien in die Schweiz verachtfacht. Mittlerweile sind es über 20.000 Päckchen – pro Tag. Der Großteil stammt von chinesischen Online-Händlern. DHL und die Deutsche Post veröffentlichen keine Zahlen, aber auch nach Deutschland schwappen immer größere Paketwellen aus China.

Groß geworden sind die chinesischen Online-Händler mit Hilfe von Amazon, eBay und Aliexpress. In den vergangenen Jahren haben sich jedoch viele von ihnen – zum Beispiel Banggood, Cect, Dealextreme, Efox, Gearbest oder Tradingshenzhen – von den Plattformen gelöst. Sie locken immer mehr westliche Kunden auf ihre eigenen Webseiten. Diese sehen aufgeräumt aus, die Produkte werden meist fehlerfrei auf Englisch beschrieben, bei Tradingshenzhen und Cect sogar auf Deutsch. Europäische Angestellte beraten die Kunden, versorgen europäische Blogs mit Testgeräten und schalten Werbung.

Von 70.000 auf 200.000 Bestellungen

Die eigenständigen Shops sind extrem günstig, weil sie nichts für Amazon oder eBay abzwacken müssen. Zum Beispiel kostet der Staubsauger-Roboter Xiaomi Mi Robot bei ihnen nur 350 Euro, während auf Amazon.de der günstigste chinesische Verkäufer 435 Euro verlangt. Bei europäischen Händlern ist der Sauger noch gar nicht erhältlich, und ein ähnliches Modell einer anderen Marke kostet dort 900 Euro. Ähnlich sieht das Preisgefälle bei vielen Smartphones aus.

Dank der unschlagbaren Preise wachsen die China-Shops schnell. Zum Beispiel wickelte Gearbest 2015 rund 70.000 Bestellungen aus Deutschland ab, 2016 waren es schon 200.000, berichtet ein Mitarbeiter. Weltweit habe man 2016 knapp 500 Millionen Dollar umgesetzt.

Zum Erfolg der China-Shops trägt allerdings auch ein kreativer Umgang mit der Deklarierung der Pakete bei. Viele geben Warenwerte an, die weit unter den tatsächlich von den Kunden gezahlten Preisen liegen, damit diese in Deutschland möglichst wenig Einfuhrumsatzsteuer an den Zoll zahlen müssen. Viele geben sogar konsequent „20 US-Dollar“ an. Denn unterhalb von 22 Euro entfällt die Steuer, das Paket wird meist durchgewunken, der Kunde muss keinen Papierkram regeln, nichts zahlen – und bestellt gerne erneut.

Zum Beispiel erreichte vor Kurzem ein fast 500 Euro teurer PC von einem chinesischen Online-Händler die c’t-Redaktion als „TV Box“ im Wert von 20 US-Dollar. Der Zoll hatte sich nicht eingemischt, die Sendung blieb steuerfrei. Ein anderer Händler deklarierte ein Handy im Wert von 215 Euro als 100-Dollar-Gerät – in diesem Fall forderte DHL im Auftrag des Zolls eine Rechnung an. Wir legten den korrekten Preis offen und zahlten 40 Euro Steuern.

Laut der Schweizer Post sind rund 95 Prozent der Asien-Päckchen falsch oder ungenügend deklariert. Die Unternehmensberatung Deloitte, die das Thema für die EU-Kommission untersucht hat, berichtet ebenfalls von einer extrem hohen Schummel-Quote: „Einige Finanzbehörden teilten mit, dass fast jedes untersuchte Paket gegen die Regeln verstößt.“