c't 3/2017
S. 22
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Auto-Neuheiten
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Selbst-Fahrzeuge

Zukunftskonzepte der Autobranche auf der CES

Auf der CES geht es nicht nur um Unterhaltungselektronik: Die Messe entwickelt sich auch zum Trendmesser der Mobilität.

Die Themen der Pkw-Hersteller waren einheitlich: E-Mobilität, autonomes Fahren und Connected-Services. Mit Spannung wurde die Präsentation von Faraday Future erwartet – einem Start-up, das bisher vor allem nur große Töne gespuckt hatte. Dieses Jahr hatte FF in eine riesige Lagerhalle abseits des Messegeländes geladen, um erstmals das künftige Serien-Modell zu zeigen.

Der FF91 von Faraday Future macht vieles richtig; zu kaufen gibt es ihn vorerst aber nicht.

Tatsächlich hatte der gezeigte Prototyp des FF91 einiges zu bieten: Das 5,25 Meter lange Elektro-Auto sieht schick aus, übertrumpft mit einer Leistung von 783 kW (umgerechnet rund 1060 PS) und einem Drehmoment von 1800 Newtonmetern selbst den aktuell schnellsten Tesla P100D in der Beschleunigung. Dank des 130-kWh-Akku ist er ihm laut Faraday Future mit 608 Kilometern nach US-amerikanischer EPA-Einstufung um rund 100 Kilometer in der Reichweite überlegen.

Der FF91 hat laut Hersteller auch Gimmicks wie das Erkennen verschiedener Fahrer nebst automatischem Ver- und Entriegeln des Fahrzeugs und automatischem Abrufen passender Einstellungen des Sitzes. Auch ein Autopilot soll nicht fehlen. Er fährt das Fahrzeug nicht nur autonom ans Ziel, sondern sucht dort – nachdem der Passagier ausgestiegen ist – selbstständig einen Parkplatz in der Nähe. Bei der Vorführung klappte das vor der Halle jedoch nur zögerlich und anschließend auf der Bühne überhaupt nicht.

Davon abgesehen hätte der FF91 zum angepeilten Verkaufsstart 2018 und zum avisierten Preis einer Mercedes S-Klasse – also ab 80.000 Euro – tatsächlich das Zeug, vor allem Tesla einige Kunden abzujagen. Unterm Strich blieb es aber trotz des funktionierenden Prototyps letztlich wieder bei einer weiteren Ankündigung. Und das macht bezüglich der Markteinführung skeptisch: Schon mehrmals wurde spekuliert, dass Faraday Future sich finanziell verhoben haben könnte. Sollte der FF91 nicht 2018 vom Band rollen, dürfte der knappe technische Vorsprung zu aktuellen Tesla-Modellen schnell wieder dahingeschmolzen sein.

Computer, übernehmen Sie!

VW will hingegen die breite Masse ansprechen und hat mit dem I.D. einen elektrischen Kleinwagen vorgestellt. Er soll 2020 auf den Markt kommen, auch mit einem autonomen Fahrassistenten aufwarten und eine Reichweite von 600 Kilometern bieten. Wenige Tage später legte VW auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit nach und präsentierte den I.D. Buzz – optisch eine Hommage an den ersten VW Bulli. In der größten Ausbaustufe soll der Kleinbus ab 2022 jeweils über einen E-Motor mit 150 kW Leistung an der Vorder- und Hinterachse verfügen, die kombiniert eine Leistung von 275 kW (374 PS) erreichen. Auch er wird laut VW auf Wunsch vollautonom unterwegs sein.

Fast schon Serie: Hyundai hat einem elektrischen Ioniq das autonome Fahren beigebracht.

Selbstfahrend stand auf der CES auch bei anderen Herstellern auf der Agenda: Hyundai hatte das bereits erhältliche Elektroauto Ioniq für den autonomen Fahrbetrieb fit gemacht und den Prototyp mit Kameras, LiDAR-Sensoren (Light detection and ranging) und GPS gespickt. So ausgerüstet fuhr er selbstständig durch Las Vegas und führte auch Manöver wie Abbiegen und Spurwechsel selbstständig durch. Toyota wartete mit dem autonomen Showcar Concept-I auf.

In Detroit stellte VW den Prototyp des Buzz vor. Er soll mit einer Akkuladung 600 Kilometer weit kommen.

Audi entwickelt gemeinsam mit Nvidia ein selbstfahrendes Auto mit künstlicher Intelligenz. Das Fahrzeug soll zum Jahr 2020 auf die Straße kommen, teilte Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang auf seiner CES-Keynote mit. Die Unternehmen arbeiten schon seit zehn Jahren zusammen, auch ältere Testfahrzeuge waren bereits „powered by Nvidia“. Auf der CES demonstrierte Audi das „Audi Q7 deep learning concept“ auf einem speziell angelegten, veränderlichen Freiflächenkurs. Zur Orientierung nutzt das Auto eine Frontkamera mit 2 Megapixel Auflösung; deren Aufnahme eine Recheneinheit vom Typ Nvidia Drive PX 2 auswertet, die die Lenkung steuert.

Der VW Buzz soll autonom fahren und wird per Sprache oder über das Tablet bedient.

Mercedes gab einen Einblick, welches Potenzial man in der Entwicklung immer „intelligenterer“ Systeme sieht: Senior Engineer Marius Cordts demonstrierte die Entwicklung der Umgebungserkennung durch ein neuronales Netzwerk. Vor fünf Jahren waren die Systeme knapp in der Lage, anhand von Videobildern der Fahrzeugkamera den Fahrbahnbereich und bewegte Objekte wie Fußgänger und Fahrzeuge zu kategorisieren. Die aktuellen neuronalen Netze, die mit Hilfe von Hunderten von Menschen kategorisierten Einzelbildern angelernt wurden, können zwischen unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern unterscheiden und erkennen Bäume, Gebäude und Pfosten.

Doch wird es bei der Komplexität des Straßenverkehrs immer Situationen geben, die ein Computer nicht beherrschen kann: Hierzu zählen vor allem Fälle, in denen Regeln gebrochen werden müssen – beispielsweise wenn ein Polizist Autos über eine rote Ampel winkt oder wenn wegen eines Hindernisses ausnahmsweise durchgezogene Linien überfahren werden müssen. Nissan hat dafür ein Konzept vorgestellt, bei dem das Fahrzeug in unklaren Situationen Fotos und Telemetriedaten an ein Service-Center schickt. Hier sollen Menschen entscheiden, wie das Fahrzeug seinen Weg fortsetzen soll.

Hallo Auto!

Bei Connected Cars bringt der Einzug von immer mehr Komfort- oder Entertainment-Funktionen aber auch ein Problem mit: Schon heute muss man sich bei vielen Autos für einfache Einstellungen so lange durch On-Screen-Menüs auf Touchscreen-Displays hangeln und kann somit den Verkehr nur mit einem Auge beachten, dass das Handy-Verbot am Steuer im Vergleich dazu wie ein schlechter Scherz erscheint.

Intelligente Sprachassistenten sollen die Lösung sein. So hat der Concept-I von Toyota einen digitalen Assistenten, der per Sprache gesteuert wird und auf den Namen Yui hört. Andere Hersteller setzen stattdessen auf Partnerschaften: Wie schon zuvor BMW nutzen nun auch Ford und Volkswagen Amazons Sprachassistentin Alexa. Wer schon einen Echo zu Hause stehen hat, kann über entsprechende Skills den Zustand des Fahrzeugs abfragen – beispielsweise die Restreichweite – oder die Türen des Autos auf- und zuschließen.

Der umgekehrte Weg funktioniert auch: Ford und VW wollen die Alexa Voice Services (AVS) ins Fahrzeug holen. US-Kunden sollen so beispielsweise bereits auf dem Weg nach Hause über Alexa im Smart-Home die Heizung und das Licht einschalten können und Alexa unter anderem für die Navigation oder Terminverwaltung nutzen können.

Nissan hat sich dagegen für eine Zusammenarbeit mit Microsoft entschieden. Künftig soll dort Cortana während der Fahrt mit Rat und Tat zur Seite stehen. So kann das System unter anderem per Sprache an Termine erinnern und gleich die Route mit geringstem Verkehrsaufkommen heraussuchen. (spo@ct.de)

Anmerkung: Volkswagen und Mercedes haben die Autoren nach Las Vegas und Detroit eingeladen und die Reisekosten übernommen.