c't 3/2017
S. 16
Prozessorgeflüster
Patente, Foundries, Knuth

Prozessorgeflüster

Von Patentem, Fiktivem und Virtuellem

Wie üblich ist IBM Patentweltmeister – oder vielleicht doch nicht? Wann kommt AMDs Ryzen und was ist los im Silicon Valley des US-Bundesstaates New York?

Nein, fiktiv ist er nicht und wie patent er sein wird, muss man noch sehen. Nach den neuesten Meldungen soll jedenfalls AMDs Ryzen mit acht Kernen am 28. Februar während der Spiele-Entwicklerkonferenz GDC in San Francisco herauskommen, just in der Schlussphase des Karnevals, bevor dann das Fasten – für wen auch immer – losgeht. Intel hat derweil den Kaby Lake breitflächig auf dem Markt, darunter auch den für den Massenmarkt besonders wichtigen, den Core i3 7350K. Den Zweikern-Chip mit 4,2 GHz Grundtakt bekommt man in Deutschland so ab 194 Euro.

Doch noch ist Januar, und das ist immer der Monat der Jahresabrechnung. Hier werden unter anderem die Siegerkränze in zahlreichen „Ranking-Listen“ verteilt, so auch bei den Patenten. Üblicherweise ist IBM bei den von der US-amerikanischen Patentbehörde USPTO erteilten Patenten an der Spitze, jedenfalls bei den Auswertungen, die das Patentbüro IFI Claims schon seit vielen Jahren veröffentlicht.

So eine Auswertung ist nicht ganz einfach: Eindeutige Firmen-IDs gibt es in der USPTO-Datenbank nicht und bei den Firmennamen herrscht ein heilloses Durcheinander, verziert mit zahlreichen fantasievollen Schreibweisen. Da findet man bei IBMs Mittelnamen auch „Bussiness“ und „Busines“ und andere lustige Varianten. Noch problematischer ist es, wie man Tochterfirmen und Joint Ventures bewertet. Während zum Beispiel die Erfindungen der IBM Deutschland („Boeblingen“ etwa taucht 161 Mal bei den US-Patenten von 2016 auf) zentral unter Armonk USA verbucht werden, laufen die 105 Patente der Intel Deutschland GmbH unter eigenem Label.

Sucht man beispielsweise nur nach dem „Assignee“ Samsung, findet man für 2016 in der Datenbank gar 10.163 erteilte Patente – samt Waschmaschinen, Staubsauger …

IBM … oder Samsung?

Der Patent Online Service Sqoop hat sich nun viel Mühe gegeben und alle Einträge genauer unter die Lupe genommen. Zwar fällt auch bei ihm unter Samsung nicht alles, aber eben nicht nur Samsung Electronics Co. wie bei IFI Claims, sondern auch Samsung Display Co., Samsung SDI Co., Samsung Electro-Mechanics Co. – und schon ist der koreanische Mischkonzern Samsung dann mit 8551 Patenten die Nummer 1 vor IBM mit knapp über 8000.

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Tabelle: Top Ten der US-Patente 2016
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Tabelle: Top Ten der Auftragsfertiger 2016

Vergleiche mit früheren Jahren sind bei Sqoop noch nicht möglich und so muss man auf das IFI-Ranking zurückgreifen. Danach hat sich etwa bei der Reihenfolge der Top 5 schon seit mehreren Jahren kaum was geändert, diesmal sogar gar nichts. Es führt wie üblich IBM mit 8088 Patenten klar vor Samsung Electronics, Canon, Qualcomm und Google. Die beiden Spitzenreiter IBM und Samsung Electronics haben sogar noch jeder um fast 10 Prozent zugelegt, während Canon mit 11 Prozent weniger Patenten schwächelte. Kräftig draufgelegt haben vor allem auch Intel, das mit einem Plus von 36 Prozent nun auf Platz 6 der IFI-Liste steht, und Microsoft mit 22,6 Prozent Zuwachs auf Platz 10. AMD hat mit 215 Patenten auch dann den Einzug in die Top 50 nicht erreicht, wenn man die unter ATI Technologies laufenden 36 Patente hinzuzählt.

Deutschlands Nummer 1 ist die Robert Bosch GmbH mit 1207 US-Patenten auf Platz 25 vor der Siemens AG, die mit nur noch 984 Patenten auf Platz 33 zurückgefallen ist. Shooting Star ist die chinesische BOE Technology Group Co. Ltd., die mit Displays, Smart Systems und Gesundheitstechnik mehr als dreimal so viele Patente erteilt bekam wie im Jahr zuvor. Sie machte damit 88 Plätze gut und konnte sich erstmals in die Top 50 eintragen (Platz 40). Auch wieder in der Top 50 findet man zwei weit bekanntere Namen der Szene, die beide mit enormen Zuwächsen glänzen: Globalfoundries mit über 100 und Nokia Technologies mit 78 Prozent.

Apropos Globalfoundries: Im aktuellen Ranking der reinen Auftragsfertiger in der von IC-Insight veröffentlichten Liste konnte sich Globalfoundries auf Platz 2 mit 11 Prozent Marktanteil gut behaupten, hinter den mit 59 Prozent unverändert klar dominierenden Taiwanern TSMC und vor der ebenfalls in Taiwan ansässigen Firma UMC mit 9 Prozent. Drei kleinere Firmen machen mit großen Zuwächsen in der Top 10 auf sich aufmerksam: SMIC aus China mit 31 Prozent, TowerJazz aus Israel mit 30 Prozent und die Erfurter Firma X-Fab sogar mit 54 Prozent, was wohl vor allem dem Zukauf des französischen Chip-Werkes Altis zu verdanken ist.

Panik in New York

Im Silicon Valley von New York östlich von den Niagara-Fällen, wo die Städte auf so hübsche Namen wie Syracus, Malta, Potsdam oder Alfred hören, wo auch Globalfoundries und IBMs ehemalige Fertigungsstätte in Fishkill zu Hause sind, da spielt die bei weitem größte amerikanische Universität, die State University of New York (SUNY), mit einer halben Million Studenten verteilt auf 64 Standorte und mit einem Etat von 12 Milliarden US-Dollar, eine ganz große Rolle – auch bei der Ansiedlung von Firmen. Das SUNY Polytechnic Institute wurde mit einem milliardenschweren Forschungsetat ausgestattet, um zusammen mit den Schlüsselfirmen Intel, TSMC, Samsung, IBM und Globalfoundries dem Global 450 Consortium (G450C) den Weg hin zu 450-mm-Wafern zu ebnen, gefördert vom Bundesstaat in der Hoffnung, dass dort ein entsprechendes Werk aufgebaut wird. Doch bald sind die zunächst eingeplanten fünf Jahre um; mit dem Ebnen hat es bislang nicht geklappt und mindestens zwei der fünf Firmen wollen aussteigen. Überschattet wurde das Ganze dann auch noch durch einen spektakulären Korruptionsskandal um verschobene Aufträge, in dem der Gründer und CEO des SUNY Polytechnic Institute, Alain Kaloyeros, verwickelt sein soll. Er wurde im September 2016 verhaftet und dann angeklagt – das Verfahren läuft noch. Möglicherweise wurden auch deshalb die geplanten Investitionen in Milliardenhöhe des österreichischen Sensor-Herstellers AMS AG erstmal wieder zurückgestellt.

Feierliches

Einer der bekanntesten fiktiven Computer der Literaturgeschichte, der HAL 9000, soll seinen Namen ja indirekt von IBM erhalten haben – wenn man von den drei Buchstaben IBM den jeweils vorausgehenden nimmt. Autor Arthur C. Clarke hat dieser Deutung allerdings immer widersprochen, HAL soll allein für Heuristic Algorithmic stehen. Wie dem auch sei, dieser psychopathische Rechner aus dem legendären Kubrik-Film „2001: Odyssee im Weltraum“ feierte nun Mitte Januar seinen 25. Geburtstag – laut Drehbuch wurde er am 12. Januar 1992 in Urbana, Illinois, fertiggestellt.

c’t-Interview mit Donald Knuth (links) im Jahre 2001 an der FH München – hier vertieft in der Arbeit am MMIX-Prozessor mit Harald Bögeholz.

Zwei Tage zuvor feierte auch ein ganz Großer der Computerszene Geburtstag, und zwar seinen 79. Donald E. Knuth, der seit fast 50 Jahren an der Stanford University lehrt (seit 1993 emeritiert) hat nicht nur unglaublich viele Algorithmen entwickelt oder optimiert und noch viel mehr in seiner berühmten Trilogie in vier Bändern „The Art of Computer Programming“ zusammengetragen und beschrieben, sondern auch einen virtuellen Prozessor namens MMIX konstruiert, mit dem man die Algorithmen ausführen und gewichten kann. MMIX ist mit seinen 256 64-bittigen Registern ein mächtiger Prozessor. Er bringt alles mit, was man braucht: Emulator, Compiler, Debugger und viel Code. Die Betreuung des MMIX-Projektes hat Knuth inzwischen der FH München übertragen, wo dieser Prozessor früher stark in die Ausbildung integriert war.

Ebendort konnte ich vor nunmehr über 15 Jahren zusammen mit meinem Kollegen Harald Bögeholz ein langes, mehrstündiges Interview mit Donald Knuth führen, das anschließend noch im Augustiner-Keller in netter Atmosphäre weitergeführt wurde. Knuth hatte mal Schecks in Höhe von 2,56 Dollar vergeben, wenn man ihm als Erster einen Fehler in seinen Publikationen mitteilte. Später hatte Knuth dann zu diesem Zweck eine eigene virtuelle „Bank of San Seriffe“ gegründet und vergab „hexadezimale Dollars“. Kollege Bögeholz, der mehrere solcher Knuth-Schecks sein Eigen nennen darf, ist übrigens seit Anfang dieses Jahres, nach fast einem Vierteljahrhundert bei c’t, Ex-Kollege. Es schaffte es trotz seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters jenseits der 50, ein Promotionsstipendium an der renommierten Monash-Universität in Melbourne zu erhalten – das dürfte Guinness-rekordverdächtig sein. Da kann man ihm nur die Daumen drücken – er bleibt uns aber als freier Mitarbeiter erhalten. (as@ct.de)