c't 24/2017
S. 92
Test
Kabellose Ohrhörer
Aufmacherbild

Knopf im Kopf

Kabellose In-Ear-Kopfhörer und Hearables mit smarten Sonderfunktionen

Komplett kabellose Ohrhörer bringen die volle Bewegungsfreiheit beim Musikhören und Telefonieren. Sie passen in jede Hosentasche, ersparen Kabelgewirr und dämpfen Lärm. Smarte Modelle erfassen sogar Körperdaten oder optimieren das Hören.

Nach diesem Test können wir sagen: Wer sich einmal an komplett kabellose Ohrhörer gewöhnt hat, will sie nicht mehr missen – vor allem nicht beim Sport, bei körperlicher Arbeit oder generell in Situationen, in denen man sich viel bewegt. Doch auch in ruhigeren, alltäglichen Situationen im Büro, im Zug oder beim Spazierengehen genießt man schnell die kabellose Freiheit.

Populärste Vertreter dieser Gattung sind wohl die Apple AirPods. Sie bestehen wie die anderen Modelle in diesem Test nur aus zwei winzigen Ohrstöpseln. Kein Kabel oder Bügel verbindet sie. Im besten Fall vermitteln die Geräte so beim Tragen den Eindruck, als seien sie gar nicht da. Denn sitzen die Ohrhörer bequem, bekommt man nach der Eingewöhnungsphase nicht mehr viel von ihnen mit – abgesehen von Musik im Ohr. Beim Laufen hört man kein raschelndes Kabel, das an der Kleidung reibt, beim Reisen kann man einnicken, ohne dass der Kopf- oder Nackenbügel am Sitz hängen bleibt – und wo das Zuspielgerät liegt, ist bei Bluetooth so gut wie egal.

Kurzum: Das Konzept der kabellosen Ohrhörer überzeugt, weil es eine Reduzierung auf das Wesentliche ist. Kein Wunder also, dass Apple in diesen Markt eingestiegen ist. Vor einem Jahr erblickten die AirPods das Licht der Welt. Sie sind die Exoten in diesem Vergleichstest, weil sie als einzige nicht so recht nach dem In-Ear-Konzept aufgebaut sind: Ihre Lautsprecheröffnungen liegen nicht im Gehörgang, sondern davor.

Die anderen Hersteller – die teils vor Apple solche Ohrhörer anboten – setzen hingegen auf vollwertige In-Ear-Konstruktionen. Die Stöpsel lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: einfache Ohrhörer zum Musikhören, Telefonieren et cetera und sogenannte Hearables, die mehr oder minder smarte Zusatzfunktionen wie selektives Noise Cancelling (beziehungsweise Geräuschverstärkung) oder die Erfassung von Körperdaten bieten. Als Headset kann man die Ohrhörer übrigens auch nutzen, da sie alle ein Mikrofon eingebaut haben.

Tabelle: Kabellose Bluetooth-Ohrhörer

Bekanntester Vertreter der Hearable-Kategorie ist der Bragi The Dash, von dem in diesem Test die verbesserte Version The Dash Pro antritt. Bragi ist ein junges Münchner Unternehmen, das viel Kritik einsteckte, als die erste Version der The Dash mit Verbindungsproblemen kämpfte und wenig von dem hielt, was die Entwickler versprochen hatten. Bei der Pro-Version soll vieles davon der Vergangenheit angehören.

Die Nuheara IQbuds sollen dem Träger per App helfen, nur das von der Umgebung zu hören, was er möchte und alles andere per Noise Cancelling auszublenden. Bei den Jabra Elite Sport handelt es sich um eine Mischform aus einfachem Ohrhörer und Hearable: Die Ohrstöpsel erfassen mit Sensoren die Herzfrequenz und die Bewegung des Trägers und lassen sich in der App auswerten. Die WF-1000X sind Sonys erster Versuch in dieser Gerätekategorie. Die Edelmarke B&O ist mit den BeoPlay E8 vertreten. Erato tritt mit den besonders kleinen Apollo 7 an und der Versandhändler Pearl mit den preiswerten auvisio IHS-600.bt. Die Samsung Icon X (2018) trafen nicht mehr rechtzeitig zum Redaktionsschluss ein. Ein Test folgt in einem späteren Heft.

In-Ears und Earbuds

Wenn die Ohrpolster zur Ohrform passen, sitzen In-Ear-Ohrstöpsel weit fester als die nur in der Ohrmuschel sitzenden Earbuds. Selbst beim Sport und bei ruckartigen Kopfbewegungen bleiben sie an Ohr und Stelle.

Da die In-Ears im Idealfall den Hörkanal abdichten, dringen weit weniger Umgebungsgeräusche ins Ohr und auch kaum Töne nach außen. Außerdem verbessert die In-Ear-Bauweise in den meisten Fällen den Klang. Der Gehörgang dient als Resonanzraum und Bässe können sich besser entfalten. Den Effekt kann man auch mit normalen Earbuds simulieren, indem man sie leicht ins Ohr drückt. Einige Ohrhörer haben einen Transparenz-Modus, der die Außengeräusche durchleitet. Er konnte uns aber bei keinem Modell überzeugen.

Aber die In-Ear-Bauweise hat auch Nachteile: Nur wenn man zum eigenen Ohr passende Ohrpolster findet und sie korrekt einsetzt, funktionieren die Ohrhörer so wie vorgesehen. Ist der Gehörgang auch nur einen Spalt offen, verlieren die meisten In-Ears ihr gesamtes Bassfundament. Ist man mit dem Klang unzufrieden, sollte man sie probeweise ein kleines Stück weiter ins Ohr schieben – selbstverständlich sehr vorsichtig. Größere Ohrpolster können ebenfalls helfen. Den getesteten In-Ears liegen solche in jeweils mindestens drei Größen bei, teils sogar aus verschiedenen Materialien. Das Tragegefühl kann vorerst unbequem sein, normalerweise gewöhnt man sich aber schnell daran.

Wie darf die Außenwelt denn klingen? Mit den Nuheara IQBuds kann man selbst bestimmen, welche Geräusche wie laut auf welchem Ohr zu hören sind.

Die Sony WF-1000X und die Nuheara IQbuds blenden Umgebungsgeräusche elektronisch aus. Sogenanntes Active Noise Cancelling (ANC) findet man normalerweise eher in größeren On- oder Over-Ear-Kopfhörern. Mithilfe des Mikrofons analysiert das Gerät den Lärm und erzeugt Gegenschall mit entgegengesetzter Polarität. ANC funktioniert vor allem bei tiefen Frequenzen gut.

Bluetooth und NFC

Per (Klinken-)Kabel lässt sich keiner der Testkandidaten betreiben; alle verbinden sich via Bluetooth 4.0, 4.1 oder 4.2. In der Praxis machen die Versionen keinen spürbaren Unterschied. Die für die Laufzeiten wichtige Stromsparfunktion Low Energy wurde bereits mit 4.0 eingeführt. Apple setzt auf einen eigenen Übertragungsstandard, über den die Firma nicht viel preisgibt. Es handelt sich aber nur um eine leichte Abwandlung von Bluetooth. Android-Geräte und PCs koppeln sich jedenfalls problemlos.

Den Nahfeldfunk NFC haben leider nur Sonys Kopfhörer integriert. Dabei hätte es die Bluetooth-Kopplung ungemein vereinfacht. Es reicht dann, das Lade-Case oder die Kopfhörer ans zu koppelnde Smartphone oder Tablet zu halten, damit sich die beiden Geräte verbinden.

Zu Anfangszeiten der kabellosen Ohrhörer gab es Probleme, eine stabile Verbindung zwischen den beiden Ohrstöpseln zu halten und den Ton synchron abzuspielen. Denn dazwischen liegt der menschliche Kopf, der zum großen Teil aus dämpfendem Wasser besteht. Verbindungsabbrüche und unerwünschte Halleffekte traten bei den ersten Modellen wie The Dash regelmäßig auf. Bei den Testgeräten scheinen alle Hersteller die Probleme in den Griff bekommen zu haben. Sporadische Aussetzer kamen zwar vor, aber nur selten und nicht reproduzierbar. Synchronisationsfehler traten gar nicht auf.

Ein Nachteil jeder Funkverbindung ist, dass der Ton verzögert wiedergegeben wird. Bei Musik stellt das kein Problem dar. Doch sollen auf dem Smartphone dargestelltes Bild und auf den Kopfhörern spielender Ton zusammenpassen – wie bei Videos und Spielen –, kann die Verzögerung den Spaß vermiesen. Die geringste Latenz zeigten die AirPods in Kombination mit dem iPhone. Bei den anderen Kopfhörern ist es bei jeder Wiedergabe ein Glücksspiel, wie viel Versatz zwischen Bild und Ton liegt.

Als Übertragungs-Codec nutzen alle Ohrhörer das obligatorische und verlustbehaftete SBC-Format. Die Formate AAC und aptX versprechen bessere Qualität, werden aber nicht von allen Smartphones und Ohrhörern unterstützt: Apple-Geräte senden in AAC, und bis auf die Kopfhörer von auvisio, Jabra und Nuheara können alle Testgeräte das Format verarbeiten. Unterstützung für aptX bieten nur einige Android-Geräte, und im Test unterstützen es nur die Erato Apollo 7. Einen Unterschied zwischen den Formaten hören sowieso nur goldene Ohren in Passagen, in denen gleichzeitig sehr hohe und sehr tiefe Töne vorkommen.

Da man keine Audiokabel anschließen kann, sind die Bluetooth-Ohrhörer nicht dazu geeignet, sie beispielsweise fürs Bord-Unterhaltungssystem im Flugzeug zu nutzen.

Viel Platz bieten die Gehäuse der Ohrhörer nicht – und so muss man in Bezug auf Akku und Bedienung einige Kompromisse in Kauf nehmen. Mit maximal 100 mAh pro Ohrhörer fallen die Akkus winzig und die Laufzeiten entsprechend kurz aus. Mehr als fünf Stunden kann man mit keinem der Geräte am Stück hören.

Deswegen liefern alle Hersteller eine Ladeschatulle mit integriertem Akku mit. Die Kästchen erfüllen mehrere Zwecke: Sie sind schützende Unterbringung, wenn die Ohrhörer gerade nicht gebraucht werden, und stationäres und mobiles Ladegerät. Da die Ohrhörer keinen Platz für eine Ladebuchse bieten, werden sie über Kontakte im Case geladen.

Die Bragi The Dash Pro lassen sich auch mit Kopfbewegungen und einem virtuellen Menü steuern.

Bis auf Apples Case haben alle Modelle Micro-USB-Anschlüsse. Bei Smartphones gilt dieser Anschluss allerdings mittlerweile als veraltet und wird mehr und mehr durch das praktischere USB Typ-C abgelöst. Der Vorteil von Micro-USB ist allerdings, dass sich fast überall ein passendes Kabel auftreiben lässt. Wer aber schon ein Smartphone mit Typ-C besitzt, muss von nun an zwei Kabel mit auf Reisen nehmen. Nutzt man hingegen ein iPhone, lädt man mit dem Lightning-Kabel auch die AirPods. Ein passendes USB-Netzteil liegt keinem der Geräte bei, ist aber eh in jedem Haushalt mit Smartphone vorhanden.

Unterwegs nähren sich die Ohrhörer von den eingebauten Akkus der Lade-Cases, die drei- bis zehnmal so groß sind wie die beider Ohrhörer zusammen. Im Test konnten wir die Kopfhörer zwei- bis viermal voll aufladen. Laden und gleichzeitig Hören geht bei keinem Gerät.

Bedienung

Für brauchbare Bedienelemente ist kaum Platz. Deswegen bedient man die Stöpsel mit nur einem Knopf oder einer berührungsempfindlichen Sensorfläche. Durch Einzel- und Doppeltipp sowie längere Betätigung der Taste oder Sensorfläche gibt man mit einem einzelnen Bedienelement verschiedene Befehle.

Hat man die Wahl, sind die physischen Tasten den Sensorflächen vorzuziehen. Bei letzteren waren wir uns nie sicher, ob wir an die richtige Stelle tippten. Bei den Tasten kann es allerdings passieren, dass man durchs Betätigen den Ohrhörer unangenehm ins oder aufs Ohr drückt.

Stellt der Hersteller eine passende App zur Verfügung, gibt es diese in allen Fällen mit identischem Funktionsumfang für Android und iOS.

Wie wir testeten

Wir haben die Ohrhörer in verschiedenen Geräuschumgebungen angehört, um herauszufinden, wie gut sie Umgebungslärm isolieren. Unter anderem trugen wir sie in der Innenstadt an Straßen mit dröhnendem Verkehr, im Büro und in der Straßenbahn mit jeder Menge Stimmengewirr, beim Joggen, wo dumpfe Laufgeräusche stören, und beim Fahrradfahren, wo kräftiger Wind um die Ohren wirbelt. Auch haben wir in diesen Umgebungen telefoniert.

Die Laufzeiten der Ohrhörer ermittelten wir bei einer konstanten Lautstärke von 80 Dezibel mithilfe einer abwechslungsreichen Playlist, die fast alle Musikgenres abdeckt und auch Hörbücher umfasst.

Fazit

Die Freiheit hat ihren Preis: Die Akkulaufzeiten der kabellosen Ohrhörer fallen kurz aus, die Bedienung und Ergonomie einiger Modelle ist katastrophal, und man zahlt etwa dreimal so viel wie für kabelgebundene Modelle mit gleicher Klangqualität. Die Bewegungsfreiheit, die die Bluetooth-Modelle bringen, ist aber unbezahlbar.

Im Praxistest reichten die Laufzeiten von zwei bis fünf Stunden für fast alle Situationen aus. Pendlerfahrten, Workouts oder Filme dauern auch nicht länger, und zwischendurch steckt man die Ohrhörer eben ins Lade-Case. Klanglich lösen die Testgeräte keinen Over-Ear-Kopfhörer ab, doch vom IHS-600.bt abgesehen klingen sie alle weit besser als die Ohrhörer, mit denen der Durchschnittsnutzer herumläuft.

Ordnet man die Geräte nach Preis, ergibt sich ein seltenes Bild: Apples AirPods gehören mit Abstand zu den preiswertesten Geräten im Test. Sie gehen als Preis/Leistungssieger hervor. Besonders für Apple-Nutzer sind sie die erste Wahl. Zuvor sollte man sie oder die gleich gebauten EarPods aber ausprobieren, da sie gerne mal aus dem Ohr fallen. Auf Isolation von Außengeräuschen darf man nicht hoffen.

Diese Disziplin beherrschen die Erato Apollo 7 weit besser und auch klanglich haben uns die Erato Apollo 7 am besten gefallen. Der Preis von 250 Euro ist allerdings happig, dafür dass sie keine Zusatzfunktionen bieten und nur gut zwei Stunden lang laufen.

Die Bragi The Dash Pro und Nuheara IQbuds wirken unausgereift und sind Produkte für Early Adopters, die Spaß am Experimentieren haben. Für Sportler eignen sich eigentlich die Jabra Elite Sport am besten mit ihrem Herzfrequenzmesser und der funktionsreichen App. Es besteht aber die Gefahr, dass die Hörer nach kürzester Zeit schmerzen.

Die B&O Beoplay E8 geben wenig Gründe zum Kauf, außer man mag speziell ihren neutralen Klang. Kann man auf smarte Funktionen verzichten, bilden die Sony WF-1000X noch eine Option: Ihr Klang ist gut, aber nicht herausragend, die Steuerung funktional, ihre Laufzeiten im Rahmen und sie kosten nur 200 Euro. Zu den auvisio IHS-600.bt sollte man nur greifen, wenn Klang und Funktionsumfang eine Nebenrolle spielen und es unbedingt komplett kabellose Ohrhörer für möglichst wenig Geld sein müssen. (hcz@ct.de)