c't 14/2017
S. 40
News
EU-Richtlinie

EU bremst neue Radios

Zulassungsprobleme bei neuen Radios? Der EU fehlt eine anwendbare Radio-Norm für die neue Funkgeräte-Richtlinie.

Seit dem 13. Juni ist es schwieriger, neue Rundfunkradio-Empfänger legal in den europäischen Binnenmarkt zu bringen. Grund dafür ist schlechtes Timing beim Einführen einer neuen Richtlinie für Funkprodukte (2014/53/EU). Darunter fallen nun auch reine Empfangsgeräte, also Radios. Die Übergangsfrist ist am 13. Juni abgelaufen, doch es fehlt noch immer die nötige harmonisierte Produktnorm.

Damit könnten Hersteller zur Markteinführung einfach erklären, dass sie die darin verankerten technischen Eckwerte einhalten. Die Norm wird voraussichtlich erst am 11. September im Amtsblatt der EU unter der Referenz EN 303 345 veröffentlicht. Bis dahin bleibt der Weg über die Selbsterklärung versperrt und Anbieter müssen sich die Richtlinienkonformität von einem dafür akkreditierten Prüflabor („Notified Body“) bescheinigen lassen, was meist mehrere 100.000 Euro kostet.

Der Fall erinnert an das nach der Funkgeräte-Richtlinie eigentlich fällig gewesene Verkaufsverbot für neue Smartphones und WLAN-Router. Das stoppte die EU-Kommission nach heftigen Protesten gerade noch: Erst Anfang Mai wurde in letzter Sekunde das Funkanlagen-Gesetz entscheidend geändert. Paragraf 38 erlaubt nun, dass Anbieter in Deutschland bei fehlenden Normen zur Funkprodukte-Richtlinie notfalls auf harmonisierte Normen der Vorgängerrichtlinie zurückgreifen dürfen. Doch für Rundfunkempfangsgeräte gibt es nichts Vergleichbares, der Rückgriff auf nationale Gesetze ist also nicht möglich.

Es ist nicht der erste Fall, bei dem die EU-Kommission bei der Einführung neuer Richtlinien Probleme verursacht. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries warnte die EU-Kommission in einem Brief an Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska schon im März, dass „nach Ablauf der Übergangsfrist ab Juni 2017 zahllose neue, innovative Produkte aufgrund fehlender Zulassungsnormen nicht auf den Markt gebracht werden könnten.“

Die Ursachen für das andauernde Chaos liegen – wie so oft – in den knappen Zeiträumen zwischen der Verabschiedung der Richtlinie und den dafür verlangten Einzelnormen. Der Auftrag dafür wurde erst Ende August 2015 an das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) vergeben. Bis zum Stichtag am 15. März 2016 reichte sie einen Berg von 124 Standards als Entwurf bei der Kommission ein. Insgesamt nahmen immerhin 108 die entscheidende Hürde der Amtsblattveröffentlichung, doch noch immer fehlen 50 Einzelnormen. Und für weitere EU-Richtlinien deutet sich bereits ein ähnliches Durcheinander an. (mil@ct.de)