c't 12/2017
S. 166
Know-how
Schallmesstechnik
Aufmacherbild

Ruhe! Messung läuft!

Wie das c’t-Labor Lärm misst

Um das Rauschen von Lüftern, das Klackern von Festplattenzugriffen und andere Störgeräusche von Testgeräten zuverlässig und genau zu messen, ist hoher technischer Aufwand nötig: außer einem kalibrierbaren Messsystem etwa auch ein schalltoter Raum mit Kühlung.

Jeder Mensch nimmt Schall unterschiedlich wahr. Der subjektive Höreindruck hängt nicht bloß vom individuellen Hörvermögen ab, sondern auch von Erwartungen, Stimmungen und der Tagesform. Um die störenden Geräusche von PCs, Notebooks, Beamern, Servern und anderen Testgeräten der c’t-Redaktion genau zu messen, sind folglich Messgeräte nötig, die objektive und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Doch es ist wiederum keine gute Idee, jeden Redakteur mit einem Handschallpegelmesser fürs eigene Büro auszurüsten: Hier stören andere Schallquellen die Messung und jeder Raum hat eine eigene akustische Charakteristik, weil Schallreflexionen auftreten. Messungen am selben Testgerät in verschiedenen Räumen liefern deshalb unterschiedliche Ergebnisse.

Um genaue, vergleichbare und jederzeit wiederholbare Messergebnisse zu gewährleisten, hat die c’t im eigenen Verlagsgebäude einen sogenannten „reflexionsarmen Halbraum“ eingerichtet, den man umgangssprachlich auch schalltoten Raum nennt. In dieser einheitlichen, sehr leisen und gegen äußere Störungen abgeschirmten Umgebung führen geschulte Mitarbeiter alle Schallmessungen normgerecht durch.

Der Aufwand für diesen Messraum ist beträchtlich. Denn in der Nähe des Verlagssitzes in Hannover stören viele Lärmquellen, die es auszublenden gilt: Autos, U-Bahn und der Rettungshubschrauber der benachbarten Medizinischen Hochschule. Im Inneren des Gebäudes kommen Geräusche von der Klimatechnik, vom Aufzug und vom Trittschall der Mitarbeiter hinzu. Deshalb wurde die Schallmesskammer im fensterlosen Innenbereich des Gebäudes in einem wiederum akustisch abgeschirmten Raum aufgestellt. Der entstand in schalldämmender Trockenbauweise mit doppelt gedichteten Türen. Der Estrich bekam Schlitze, sämtliche durchführenden Kabelkanäle, Rohrleitungen und Lüftungskanäle wurden entfernt. Weil die Messungen bei gleichbleibenden Temperaturen um 23 °C erfolgen müssen, ließen wir anschließend wieder eine leise, abschaltbare Kühlanlage einbauen.

Hand-Schallpegelmesser der Klasse 2 messen unterhalb von 30 dBA nicht mehr genau.

Eine von der Berliner Firma Desone ursprünglich für den Rundfunk entwickelte, quadratische Sprecherkabine (Typ M:Box Plus) mit einer äußeren Kantenlänge von knapp vier Metern dient als Basis der Messkabine. Die zweischalige Konstruktion bietet innen eine quadratische Grundfläche mit 3,5 m × 3,5 m bei 2,4 Metern Höhe. Die Decke und die Innenwände inklusive Eingangstür sind jedoch noch mit schallabsorbierenden Keilen aus PU-Schaumstoff verkleidet, die jeweils 40 Zentimeter lang sind. Der Fußboden ist mit Nadelvliesteppich belegt. Es bleibt ein Nutzraum von 3 m × 3 m × 2 m. Das genügt für Störschallmessungen an IT-Produkten, ist aber leider zu wenig für normgerechte Messungen an Lautsprechern.

Hohe Töne lassen sich leichter dämpfen als langwellige tiefe. Die Abschirmung der Kammer gegen Störgeräusche von außen sinkt deshalb mit abnehmender Frequenz. Problematisch sind sehr tieffrequente Störschallereignisse, wie sie beispielsweise beim Zuschlagen einer Tür oder auch durch Klimatechnik entstehen. Dieser Frequenzbereich ist in der akustischen Messtechnik allgemein problematisch. Deshalb schneidet ein Hochpassfilter sehr tiefe Frequenzen ab, sie werden nicht mitbewertet.

Vorheizung

Jedes Testgerät landet auf dem besonderen Messtisch mit dicker Weichholzplatte. Die schwere Platte schwingt kaum mit, wenn der Prüfling Vibrationen aussendet, die etwa von Lüftern oder Festplatten herrühren. Schall, der durch solche Vibrationen entstehen könnte, darf die Messung nicht verfälschen.

In Absprache mit dem jeweiligen Fachressort werden alle Geräte in praxisrelevanten Betriebszuständen akustisch gemessen. Für einen Desktop-PC bedeutet dies außer dem Leerlaufmodus mit und ohne Festplattenzugriffe – simuliert mit h2benchw – auch Volllast auf Prozessor und Grafikkarte. Messungen an ATX-Netzteilen erfolgen in verschiedenen Belastungsfällen. Dafür stehen außerhalb der Kabine elektronische Lasten, die über lange Anschlusskabel mit dem jeweils vermessenen Netzteil verbunden sind.

Schallmessung: Signalweg vom Mikrofon zum Aufnahmesystem

Im Akustikmesslabor sollen die gleichen Lastzustände wie bei den restlichen Tests in der Redaktion gelten. Um zu prüfen, ob der jeweilige Lastwert im Schallmessraum den Messungen der Kollegen im Ressort entspricht, kontrollieren die Akustikspezialisten die Leistungsaufnahme im jeweiligen Betriebszustand mit dem präzisen Messgerät LMG95 von ZES Zimmer.

Für das Aufheizen des Testgeräts ist eine Vorlaufzeit von einigen Minuten nötig. Es soll sich ein stationärer Zustand einstellen, damit die Lüfter mit annähernd konstanter Drehzahl laufen. Bei leistungsstarken Geräten steigt durch deren Abwärme die Temperatur in der Messkabine rasch an, weil die aufwendige Schallisolierung auch als Wärmedämmung wirkt. Besonders Notebooks reagieren auf warme Umgebung mit hoch drehenden Lüftern, selbst wenn sie ohne Last laufen. Ein Sensor misst deshalb die Lufttemperatur in der Messkabine. Das abschaltbare Kühlsystem sorgt dafür, dass alle Prüflinge die gleichen Startbedingungen haben. Während der kurzen Messphase ist die Kabinenlüftung dann ausgeschaltet.

Mikrofon-Aufstellung

An jeder Seite des Messtisches steht ein Stativ mit einem Mikrofon. Da IT-Komponenten glücklicherweise in den letzten Jahren immer leiser wurden, weichen wir bewusst von dem in der Norm vorgegebenen Messabstand von 1 Meter zwischen Mikrofon und Testobjekt ab. Den Lärm von Druckern, Scannern, Desktop-PCs, Notebooks, NAS-Systemen, Settopboxen, Beamern, Netzteilen und Spielkonsolen erfassen wir aus 50 cm Abstand. Die in der c’t abgedruckten Messwerte lassen sich deshalb nicht direkt mit Herstellerangaben zum Schalldruckpegel vergleichen. Als Faustregel gilt: Die Halbierung des Messabstands führt zu einem um 6 dBA höheren Messwert.

Der Kalibrator erzeugt einen 1-kHz-Sinuston mit 114 dB Pegel; man setzt ihn vor der Messung auf die Mikrofone.

Geräusche von Grafikkarten vermessen wir praxisnah in einem Referenz-PC-Gehäuse. Für ähnliche Komponenten, die nur in einem PC funktionieren, stehen passiv gekühlte, lautlose Testrechner bereit. Einzelne Festplatten montieren wir zur Messung in einem Entkopplungsrahmen und rücken die Mikrofone noch näher heran, nämlich auf 25 Zentimeter. Einerseits sind moderne Festplatten extrem leise, andererseits vibrieren viele dermaßen stark, dass sie beim direkten Aufliegen auf der Holzplatte des Messtisches zusätzliche Störgeräusche erzeugen würden.

Was ein gesundes und geschultes Ohr nicht mehr hört, stellt auch die Grenze dessen dar, was ein hochwertiges Messmikrofon erfassen kann. Der Akustiker im Vorraum der Messkabine hört während jeder Aufzeichnung das Signal der Mikrofone mit. Er soll Störungen von außen erkennen, die das Messergebnis verfälschen. Den Messmikrofonen vom Typ Microtech Gefell MK 102.1 entgeht durch ihren großen Dynamikbereich von 11 bis 146 dBA kein Schallereignis. Die rauscharmen Kondensator-Messmikrofone mit 1-Zoll-Membranen decken den kompletten Frequenzbereich von 10 Hz bis 20 kHz ab, den Menschen wahrnehmen. Bei solchen Mikrofonen ist eine eigene Klangcharakteristik wie ein besonders „warmer“ Sound ebenso unerwünscht wie andere Optimierungen auf bestimmte Frequenzbereiche. Was zählt, ist eine möglichst neutrale Abbildung.

Messkette

Direkt hinter der Mikrofonkapsel auf dem Stativ befindet sich ein rauscharmer Vorverstärker. Er hebt den Pegel des Signals an, wodurch es weniger empfindlich gegen äußere elektrische Störeinflüsse ist, während es durch ein abgeschirmtes Kabel zum eigentlichen Messsystem fließt. Der Vorverstärker hat einen theoretischen Dynamikbereich von 11 bis 168 dB, um die vom Mikrofon gelieferten Signale nicht zu begrenzen.

Die dicke Platte des Messtischs schwingt bei Vibrationen des Testgeräts nicht mit.

Das Signalkabel führt aus dem reflexionsarmen Raum heraus zum Eingangsmodul des sogenannten Frontends SQlab II der Firma Head Acoustics. Das modular aufgebaute System besitzt Eingangskanäle für vier Messmikrofone und stellt die Polarisationsspannung von 200 Volt für die Mikrofone und Vorverstärker bereit.

Das Frontend wandelt die Analog- in Digitalsignale mit einer Sampling-Rate von 48 kHz. Nach dem Nyquist-Shannon-Theorem – Abtastrate mindestens doppelt so hoch wie die maximale Signalfrequenz – sind Messungen theoretisch mit bis zu 24 kHz möglich. Ein stabiles Metallgehäuse schirmt die empfindliche Elektronik von äußeren Störeinflüssen ab. Dazu trägt auch das externe und großzügig dimensionierte Netzteil bei. Alle verwendeten Komponenten sind für ein breites Frequenzspektrum und geringe Toleranzen ausgelegt.

Über die mittlerweile betagte SCSI2-Schnittstelle gelangen die digitalisierten Signaldaten in den Windows-Messrechner. Darauf läuft die Analyse-Software Head Acoustics ArtemiS. Ihr Recordermodul zeichnet die Messdaten aller vier Kanäle unkomprimiert auf. Eine Kompression könnte Nuancen des Signals verfälschen und wäre deshalb für die Messdatenerfassung ungeeignet. Wir archivieren die Soundschnippsel und können sie auch nach Jahren noch abspielen, analysieren und als Wave-Datei exportieren.

Für die meisten Testkandidaten hat sich ein Messintervall von 10 Sekunden pro Betriebszustand etabliert. Die Recordersoftware kann aber auch lange aufnehmen, um diese Daten anschließend in einem Editor zu schneiden – ähnlich wie bei Audio-Software für den PC. Das lässt sich nutzen, um unterschiedliche Arbeitsphasen eines Testgerätes separat zu bewerten, etwa bei einem Multifunktionsdrucker Scannen, Papiereinzug und Drucken.

Das Messsystem gleicht in mancher Hinsicht einem Mehrspur-Audiostudio. Wichtiger Unterschied: Die Messkette ist kalibrierbar. Dabei erfasst man Abweichungen von Referenzwerten und hinterlegt anschließend Korrekturfaktoren im Messsystem, um die gewünschte Messgenauigkeit zu erreichen. Die komplette Messkette (Hardware und Software) erfüllt die Anforderungen für Messgeräte der Klasse 1 nach DIN EN 61672. Die deutlich günstigeren Handschallpegelmesser sind der Messgeräteklasse 2 zugeordnet und erfüllen solche Ansprüche nicht. Das gilt auch für Apps, die Smartphones in Schallpegelmesser verwandeln sollen.

Tabelle
Tabelle: Messtechnik im c’t-Schallmessraum

Die Messtechnik erfasst und bewertet jeweils den lautesten auftretenden Lärmpegel. Ohne äußere Störungen kann das System bis hinab zu 11 dBA genau messen. Um die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse zu gewährleisten, setzen wir jedoch die Messgrenze bei 17 dBA beziehungsweise einer Lautheit von 0,1 Sone an. Alles darunter veröffentlichen wir nicht und es ist in der Praxis auch nicht relevant. Um das Lesen zu erleichtern, verwenden wir für den Schalldruckdruckpegel die Einheit dBA. Alternativ gibt es die Schreibweisen dB(A), dB/A und dB/(A).

Apropos Schalldruckpegel: Den berechnet die Software aus dem eingespeisten digitalen Mikrofonsignal. Mit der exakten, reproduzierbaren Erfassung der Geräusche ist die Vermessung eines Testgerätes also noch nicht abgeschlossen. Die Datenverarbeitung erfolgt nach psychoakustischen Modellen: Sie bilden das typische Hörempfinden durchschnittlicher Menschen nach. Wie das funktioniert, erklärt der nächste Teil dieser Serie. (ciw@ct.de)