c't 11/2017
S. 20
News
Amazons Supermarktdienst Fresh

Brot und Butter

Amazon Fresh: Der Online-Händler liefert jetzt auch frische Lebensmittel

Amazon hat seinen Online-Supermarkt Amazon Fresh in Deutschland eröffnet. Damit schließt der Händler eine der letzten Lücken in seinem Sortiment und wird zum Rundum-Versorger.

Wer in Berlin oder Potsdam wohnt, kann sich seit Kurzem von Amazon frische Lebensmittel nach Hause liefern lassen – zum Beispiel für den Grillabend: Rindersteak und Couscous wie gewohnt über das Web-Frontend oder die App zusammenklicken, eine Lieferzeit bestimmen, und abends klingelt der Bote mit der frischen Ware. Bestellungen bis 12 Uhr mittags will Amazon noch am selben Tag „zum Abendessen“ liefern. Bei einer Bestellung bis 23 Uhr soll die Ware am nächsten Tag in einem ausgewählten Zwei-Stunden-Fenster kommen.

Fresh steht nur Mitgliedern von Amazons Abo-Dienst Prime offen. Nach einem kostenlosen Probemonat berechnet der Anbieter zehn Euro pro Monat für den Dienst. Der Mindestbestellwert beträgt 40 Euro, darunter fallen sechs Euro für die Lieferung an. Beim Versand kooperiert Amazon mit DHL. Amazon sichert zu, für einen Artikel, der kurzfristig nicht mehr verfügbar sein sollte, ein kostenloses Ersatzprodukt zu liefern. Bei frischer Ware, die „nicht den Erwartungen entspricht“, soll der Kaufpreis zurückerstattet werden.

Der Fresh-Betrieb im Berliner Raum läuft explizit als Test. Das sieht man schon daran, dass noch nicht mal das gesamte Berliner Stadtgebiet abgedeckt ist. Vor einer Bestellung müssen Kunden ihre Postleitzahl angeben, damit Amazon prüfen kann, ob sie beliefert werden können. Der Online-Händler will in seinem Testgebiet zunächst Erfahrungen sammeln, bevor er Fresh auf andere Städte ausweitet. „Die Messlatte im Lebensmittelhandel liegt enorm hoch. Wir wollen uns die Zeit nehmen und starten mit einem sehr umfangreichen Sortiment auf einem begrenzten Gebiet“, so Florian Baumgartner, Deutschlandchef von Amazon Fresh.

Fehlender Mosaikstein

Der Versand frischer Lebensmittel ist nichts Neues. In Deutschland betreiben zum Beispiel die Supermarktketten Edeka, Rewe und Kaufland ebenfalls eigene Lieferdienste. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Amazon seinen Lieferdienst Fresh nach dem Start in den USA sowie nach Tests in London und Tokio auch nach Deutschland bringt. Denn der Online-Umsatz mit Lebensmitteln soll nach Prognosen des Marktforschungsinstitutes GfK in Deutschland von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr 2025 wachsen.

Supermarkt im Browser: Fresh macht Amazon zum Universallieferdienst.

Zudem schließt der Versand frischer Lebensmittel eine wichtige Lücke im Angebot von Amazon. Bisher konnten Kunden in München und Berlin nur eine sehr eingeschränkte Anzahl frischer Lebensmittel im Rahmen von Prime Now einkaufen. Jetzt steht ein riesiges Angebot mit mehr als 85.000 Lebensmitteln offen. „Wir wollen die Kunden in die Lage versetzen, einen kompletten Wocheneinkauf inklusive frischer und gekühlter Ware von zu Hause erledigen zu können“, so Baumgartner.

Und damit muss Otto Normalverbraucher für kaum einen Einkauf mehr das Haus verlassen, sondern kann alles bei einem Online-Händler frei Haus bestellen: Mit Pantry kann er sich Boxen mit Artikeln für den Haushalts-Alltag packen lassen. Mode hat Amazon schon länger im Angebot, in den USA experimentiert der Händler bereits mit eigenen Marken. Selbst für Handgemachtes hat Amazon einen Bereich: Handmade.

Mehr als 85.000 Lebensmittel hat der Handelsriese jetzt auf Lager. Bild: Amazon

Der Expansionsdrang und die Experimentierfreude des Handelsriesen scheinen ungebremst. In Spanien probiert das Unternehmen den Zeitungsvertrieb aus, in den USA will es nach Medienberichten eigene Möbelhäuser errichten. Mit einem Buchladen in Seattle hat Amazon bereits einen ersten Schritt in die Städte gewagt.

Jetzt greift Amazon den ohnehin bereits hart umkämpften deutschen Lebensmitteleinzelhandel an. Was sich für die großen Supermarktketten zu einem echten Problem auswachsen könnte, ist für Zulieferer dagegen möglicherweise eine Chance. In Berlin hat Amazon auch die Produkte von örtlichen Betrieben mit ins Sortiment genommen, etwa von der Kaffeerösterei Sagers oder vom Feinkosthandel Lindner – eine Chance für die kleinen Hersteller, neue Käuferschichten zu erreichen. (jo@ct.de)