c't 8/2016
S. 24
Prozessorgeflüster
Broadwell-EP

Prozessorgeflüster

Von Goodbye und Welcome

Die Halbleiterwelt nimmt Abschied von Intels Ex-CEO Andy Grove und von Intels Tick-Tock-Modell und begrüßt Intels neuen Server-Prozessor Broadwell-EP sowie AMDs neuen CPU-Guru Nazar Zaidi. Der hat mal zu Groves CEO-Zeiten Itanium und Pentium mitdesignt.

Er war es vor allem, der Intel von einer aufstrebenden kalifornischen Firma zur weltweit führenden Halbleiterfirma gemacht hat: Andy Grove – ein Flüchtling. Nun ist er 79-jährig in seinem Zuhause in Los Altos Hills verstorben. Die Nazi-Zeit hatte der jüdische Ungar noch gut versteckt im Lande überstanden. Als die Sowjetarmee 1956 einmarschierte, flüchtete er jedoch über Wien und Bremerhaven in die USA und studierte dort Chemie.

Andy Grove war auch nach seinem Rücktritt vom CEO-Posten für Intel aktiv. Auf dem IDF 2000 stellte er den Pentium 4 vor.

Als er die Position des Chief Operating Officers im Jahre 1975 von Gordon Moore übernahm, da war Intel noch primär Speicherfirma und machte einen guten Teil des Umsatzes mit Digitaluhren. Insgesamt betrug der Jahresumsatz damals gerade mal 137 Millionen Dollar. Als dann Grove im Mai 1998, nach durchgestandener Krebserkrankung, den Marschall-Stab als CEO an Craig Barrett weiter reichte, war Intel mit einem über 200-fach höheren Umsatz (ohne Uhren) schon mehrere Jahre die klare Nummer eins in der Szene.

Ebenso wie Robert Noyce und Gordon Moore zählt man Grove üblicherweise zu den Intel-Gründern, wiewohl das formal nicht ganz richtig ist. Als Flüchtling hatte man es damals wie heute nicht so leicht, schon gar nicht, wenn man wie Grove aus einem kommunistischen Land kam. Für solche Flüchtlinge war es Ende der 60er-Jahre nicht so einfach, Firmen in den USA zu gründen oder mitzugründen. Grove ging daher als erster Intel-Angestellter in die Annalen ein. In seine Ära fiel nicht nur der Siegeszug mit dem 8086 (vor allem dank IBM), sondern auch das Desaster mit dem Pentium-Bug. Damals versprach er eine lebenslange Umtauschgarantie. Nun lebt er nicht mehr, da werde ich nun wohl davon abrücken, meinen allerletzten fehlerbehafteten Pentium noch zum Umtausch einzuschicken …

Grove hatte auf dem hauseigenen Developer Forum IDF im Frühjahr 2000 auch den ersten, mit vielen Vorschusslorbeeren bedachten Pentium 4 (Willamette) mit bis zu 1,5 GHz Takt vorgestellt, der sich später ob seines Energiehungers jedoch als Sackgasse herausstellte. Intel orientierte sich mithilfe des in Haifa entwickelten Pentium M neu und erfand gegen 2006 das Tick-Tock-Modell: jedes Jahr entweder eine neue Prozesstechnik (Tick) mit verkleinerten Strukturen oder eine neue Architektur (Tock). De facto klappte das schon die letzten Jahre nicht mehr so wirklich, da wurden bereits Refresh-Typen zwischengeschoben. Nun gibt es Intel auch offiziell zu, zumindest im Rahmen der obligatorischen Börsenberichte. Aus Tick-Tock wird Tick-Tock-Tock. Prozess, Architektur , Optimierung so heißen die Phasen des auf drei Jahre verlängerten Zyklus jetzt.

Broadwell …

Über 20 Prozent mehr Performance bei gleicher Energieaufnahme: der Broadwell-EP gegen Haswell-EP Bild: Intel

Dort, wo Intel nahezu ohne Konkurrenz ist, kann man sich noch mehr Tick-Tack-Zeit lassen, nämlich bei den Servern. Gut eineinhalb Jahre nach der Vorstellung des Broadwell-Kerns im Core M folgt nun, gerade noch rechtzeitig fürs erste Quartal 2016, der Serverkollege Broadwell-EP. Im c’t-Labor zeigt das neue Flaggschiff Xeon E5-2699v4 mit seinen 22 Kernen derzeit schon, was es kann. Die Benchmarks wie SPEC CPU2006 laufen noch, der ausführliche Test wird erst in der nächsten Ausgabe erscheinen. Doch so viel vorweg: mit 1040 SPECfp_2006base und 1450 SPECint_2006base (gemessen nach den praxisnahen c’t-Regeln) ist der Neue im gleichen Board bei etwa gleicher Energieaufnahme um 20 respektive 25 Prozent schneller als sein Vorgänger Xeon E5-2699v3 mit 18 Kernen.

Ähnlich sieht es bei Linpack und anderen Benchmarks aus. Da wo besonders viel mit Vektorbefehlen multipliziert wird, etwa bei CAD, wirkt sich zusätzlich die deutlich niedrigere Latenz (drei statt fünf Takte) dieser Befehle aus. Dann sind auch mal Steigerungen um über 40 Prozent drin.

Dank DDR4-2400 ist die Speicherbandbreite (Stream) gegenüber DDR4-2133 um etwa 8 Prozent gewachsen. Auch die Single-Thread-Leistung in Gestalt des Wertes IPC: Instructions per Clock wächst kontinuierlich weiter, diesmal um etwa 6 Prozent.

… und Broadcom

AMD will beim geplanten Zen-Prozessor insbesondere bei diesem IPC-Wert konkurrenzfähig werden und mit einem Riesensprung von über 40 Prozent gegenüber dem lahmen Bulldozer glänzen. Damit das auch in der Zukunft mit der CPU-Entwicklung bei Zen und ARMv8 weitergeht, hat AMD nach dem Fortgang von Jim Keller vor einigen Monaten nun einen anderen alten Prozessorhasen angeheuert: Nazar Zaidi. Der kennt sich in beiden Welten aus, war in den 90er-Jahren bei Intel und hat die Pentium-Architektur validiert. Später war er für die IA-32-Bit-Kompatibilität beim Itanium-Merced zuständig. Die Hardware-Emulation hat zwar funktioniert, war aber grottenlahm und vermutlich mit für den Niedergang dieser Architektur verantwortlich. Später kam Zaidi dann zu RMI, eine der Firmen des rührigen Investors Atiq Raza, der einst Nexgen gründete und dann bei AMD die operativen Geschäfte leitete. RMI wurde von NetLogic und NetLogic dann von Broadcom aufgekauft. Hier zeichnete Zaidi bis Februar 2015 für die Entwicklung des ARMv8-Prozessors für Server (Vulcan) verantwortlich. Doch dann wurde auch Broadcom aufgekauft und der neue Besitzer Avago scheint bislang nicht übermäßig viel Interesse am Vulcan zu hegen. Wer weiß, ob der überhaupt noch kommt – oder gar in leicht veränderter Form von AMD? (as@ct.de)