c't 3/2016
S. 80
Reportage
Kinderporno-Verdacht

Schuldvermutung

Wie ein falscher Verdacht zu einer Durchsuchung wegen Kinderporno-Verbreitung führte

Schon der Verdacht auf Verbreitung kinderpornografischen Materials kann eine Person für immer ruinieren. Da ist besondere Sensibilität bei den Strafverfolgern angebracht, sollte man meinen. Doch der Fall von Thomas E.* belegt, wie schnell man unschuldig ins Visier von Ermittlungen geraten kann, ohne es mitzubekommen.

Berlin, morgens um sechs: Vier LKA-Ermittler klingelten an der Tür der Zweizimmer-Altbauwohnung. Es ist eine gern gewählte Zeit für Durchsuchungen in Privatwohnungen – der Verdächtigte ist meist anwesend, aber noch nicht oder gerade erst wach. Thomas E. öffnete an jenem 30. März 2015 seine Wohnungstür sofort. Nachdem er sich ausgewiesen hatte, bekam er den Durchsuchungsbeschluss in die Hand gedrückt: „Verdacht auf Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Schriften“. E. blieb gefasst. Er erklärte, dass er damit nichts zu tun haben könne, doch der leitende Kriminaloberkommissar unterbrach ihn, um ihm die Rechte zu verlesen.

„Während der gesamten Durchsuchung war ich eigentlich sehr ruhig und kontrolliert, der Schock setzte erst danach ein“, beschreibt E. die Situation rückblickend. Die Beamten begannen, Tablets, Desktop-PC, Server, Smartphones, Festplatten und USB-Sticks in die mitgebrachten Umzugskartons zu packen. E. rief eine Rechtsanwältin an und verschaffte sich einen ersten Überblick darüber, was eigentlich Ziel der Durchsuchung war. „Geholfen hat mir, dass ich sicher war, dass sie bei mir wegen der Sache nichts finden werden.“ Finden konnten die Beamten nichts, weil der Verdacht falsch war. Er beruhte auf schlampig geführten Vorermittlungen.