c't 23/2016
S. 3
Editorial
André Kramer

Der Kunde ist Knecht

Im Allgemeinen heißt es, der Kunde sei König. Das kaufmännische Credo soll den Geschäftstreibenden dazu anhalten, die Wünsche des potenziellen Käufers zu erfüllen, denn, so ein weiteres Credo, die Konkurrenz schläft nicht. Wer nicht nett zu seinen Kunden ist, verliert sie an die Mitbewerber.

Der oben beschriebene Mechanismus ist also keine gottgegebene merkantile Binse, sondern Ergebnis eines fragilen Gleichgewichts, das nur im Idealfall besteht. Als jemand, der von Berufs wegen kommerzielle Produkte beurteilt, treiben mir Monopole den Angstschweiß auf die Stirn. Denn fehlt die Konkurrenz, kann sich das Verhältnis zwischen Knecht und König umkehren. Der Untertan wird zum Usurpator und übt Macht über seinen früheren Herrn aus. So war es Jahrtausende lang im Spiel der Könige, so schnell schüttelt eine Gesellschaft über Generationen eingeübte Reflexe nicht ab. Wer Macht hat, nutzt sie in der Regel aus - auch und gerade in der freien Wirtschaft.

Je älter die Software-Branche wird, desto deutlicher treten die Unterschiede zwischen Spezialist und Stümper zu Tage. Ein einfaches Frage-Antwort-Spielchen illustriert das. Wer entwickelt die beste Kreativ-Software? Adobe. Wer kennt sich mit Büro-Anwendungen aus? Microsoft. Klar gibt es hier wie dort vielversprechende Alternativen, vor allem für Heim und Hobby, aber unter Profis ist man sich einig, was angeschafft wird - mit fatalen Folgen für den Kunden.

In beiden Fällen, sowohl bei den Kreativprodukten von Adobe als auch bei den Office-Anwendungen von Microsoft, drängt der Hersteller dem Kunden ein Abonnement auf. Die Creative Suite von Adobe ist seit Jahren Geschichte und mittlerweile hoffnungslos veraltet. Wer beruflich mit Photoshop, Illustrator, InDesign und Co. arbeitet, muss wohl oder übel eine monatliche Gebühr zahlen.

Microsoft Office gibt es zwar auch in der Version 2016 noch zu kaufen, Office-365-Abonnenten bekommen aber laufend neue Funktionen, von denen es zum Teil sogar explizit heißt, dass sie für die Kaufversion nicht vorgesehen sind. Kunden beider Firmen regen sich in den Support-Foren der Hersteller, in den Foren von c't und heise online sowie über andere Kanäle seit Jahren über diese Praxis auf, die verbliebene Kunden der Kaufversionen zum Abonnement zwingen soll - vergeblich.

Lediglich die Hersteller der zweiten Reihe, Corel zum Beispiel, beteuern, dass es ihre Software auch künftig frei von Abo-Zwängen geben wird. Dem Kundenwunsch wird jedoch nur dort entsprochen, wo auch Sanktionen drohen, wenn er unerfüllt bleibt. In den Königreichen von Adobe und Microsoft wird der Kunde mehr und mehr zum Knecht.

Unterschrift André Kramer André Kramer

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