c't 23/2016
S. 58
Test
Google Pixel und Pixel XL
Aufmacherbild

Höhenflieger

Die Google-Smartphones Pixel und Pixel XL im Test

An Selbstbewusstsein scheint es Google nicht zu mangeln: Beide Pixel-Smartphones tragen Premium-Preisschilder. Wir haben getestet, ob sie einen Mehrwert gegenüber den günstigeren Konkurrenten bieten.

Mit Preisen von 750 bis 870 Euro für das Pixel mit 5-Zoll-Diagonale und 900 bis 1010 Euro für das 5,5"-Modell Pixel XL gehören Googles neue Geräte zu den teuersten Android-Smartphones. Während Google in der Nexus-Ära überwiegend gute Hardware für schmale Geldbeutel anbot, liegen die Pixel in Apple-Preisregionen.

Auch an anderer Stelle eifert Google den iPhones nach: Beim Design der Pixel-Phones hat man sich offenbar großzügig von Apple „inspirieren“ lassen. So sieht insbesondere die Vorderseite der silbernen Modelle dem iPhone so ähnlich, dass viele Kollegen auf den ersten Blick nicht merkten, dass sie ein Android-Gerät in den Händen hielten. Auch die Rückseite sieht nach iPhone aus. Einziger Unterschied: Das obere Viertel um den Fingerabdrucksensor verziert Google mit poliertem Glas.

Unabhängig davon wirkt das gebürstete Alu-Gehäuse mit seinen abgerundeten Kanten sehr edel. Die Smartphones geben in der Hosentasche nicht nach und klappern oder knarzen auch nicht. Die drei Alu-Buttons sitzen fest und haben einen klar definierten Druckpunkt. Die Kameralinse sitzt ohne hässlichen Buckel bündig in der Rückseite.

Beide Pixel zählen zu den ersten Smartphones, die vom neuen Qualcomm Snapdragon 821 (MSM8996pro) angetrieben werden. Dessen Vier-Kern-Prozessor läuft mit einem maximalen Takt von 2,15 GHz. In unseren Benchmarks lagen die Pixel auf vergleichbarem Niveau wie die direkten Konkurrenten Apple iPhone 7, Samsung Galaxy S7 und OnePlus 3. Bei Praxistests sorgte das für ruckelfreies Spielen und geschmeidige VR-Erlebnisse. Hierbei gefiel auch die ausgewogen klingende Audiowiedergabe.

Zusammen mit den 4 GByte Arbeitsspeicher liefen die Pixel-Phones ohne nerviges Stocken der Android-Oberfläche. Wer allerdings viele Fotos, Songs und Filme speichert, kommt schnell ans Limit des Gerätespeichers, der in der kleinen Ausstattungsvariante mit 32 GByte eher knapp bemessen ist. Für das Aufstocken auf 128 GByte verlangt Google einen Aufpreis von jeweils 110 Euro. Die Möglichkeit, den Speicher mit SD-Karten zu erweitern, fehlt. Immerhin darf man unbegrenzt viele Fotos und Videos in voller Qualität bei Google Fotos in die Cloud laden.

Die Rückseite des Pixel XL aus gebürstetem Alu kommt ohne Buckel für die Kameralinse aus.

Der Akku im kleinen Pixel fasst 2770 mAh, der im Pixel XL 3450 mAh. Dank Schnellladetechnik über den USB-Typ-C-Stecker halten die Geräte nach 15 Minuten am Stromnetz bis zu 7 Stunden lang durch. Vom Drahtlos-Laden hat Google sich wieder verabschiedet. Die Akku-Kapazität sorgte bei der Videowiedergabe in unserem Testlabor für eine Laufzeit von elf (Pixel XL) und elfeinhalb Stunden (Pixel). Damit liegen sie im oberen Mittelfeld. Zum Vergleich: Das Nexus 6P schafft 10,3 Stunden, das Galaxy S7 14,8 Stunden und der Akku des Note 7 reichte für 15,1 Stunden.

Farbkünstler

Die rückseitige Smartphone-Kamera soll laut Google die beste aller Zeiten sein. Die vordere Linse knipst mit 8 Megapixeln, die hinten mit Dual-Blitz und mit 12,3 Megapixeln. Der Sony-Sensor mit 1,55 µm großen Pixeln soll viel Licht durchlassen und eine besonders kurze Auslösezeit bieten.

Unsere Tests und Messungen bescheinigen der Pixel-Kamera tatsächlich sehr gute Ergebnisse: Die Schärfe ist minimal besser als beim bisherigen Primus, dem Samsung Galaxy S7. Kräftige Farben erscheinen bei beiden Modellen genauso satt wie beim S7 und beim iPhone 7. Im direkten Vergleich erkennt man, dass die Fotos aber insgesamt einen Hauch blaustichiger und weniger knackig anmuten als bei Samsung. Bei schwachem Umgebungslicht schleicht sich ein leichtes Bildrauschen ein, wie es bei Apple und Samsung aber auch auftritt.

Die AMOLED-Displays der Pixel-Telefone spielen hingegen nicht in der ersten Liga. Das kleine Modell löst mit 1920 × 1080 Bildpunkten auf, was zwar im Alltag völlig ausreicht, doch bei VR-Anwendungen aufgrund der verwendeten PenTile-Matrix die Pixel-Struktur störend sichtbar macht. Das größere Pixel XL hat 2560 × 1440 Bildpunkte und macht somit auch in VR-Brillen eine gute Figur.

Der Pixel-Launcher wartet mit neuem Look und App-Shortcuts auf.

OLED-typisch haben beide Displays ein supersattes Schwarz und somit einen enormen Kontrast. Die maximale Helligkeit beider Displays liegt bei 430 cd/m2 und ermöglicht damit auch bei Sonnenschein eine gute Lesbarkeit. Zudem zeichnen sich die Displays durch einen sehr großen Farbraum aus. Wegen der Winkelabhängigkeit sehen bei gekipptem Gerät helle Flächen auf dem Pixel leicht grünstichig und beim Pixel XL leicht lilastichig aus. Die Blickwinkelcharakteristik kann nicht mit der des iPhone 7 mithalten und liegt etwa auf dem Niveau anderer OLEDs wie beim Galaxy S7 oder OnePlus 3.

Zu Diensten

Google liefert seine Pixel-Phones bereits mit Android 7.1 aus. Die bedeutendste Neuerung ist der bislang nur hier verfügbare Pixel-Launcher. Zu seinen Features gehören ein unter dem Homescreen liegender App-Drawer, andere Ordner-Icons und eine weniger aufdringliche Suchleiste.

Tabelle
Tabelle: Google-Smartphone

Funktionale Verbesserungen sind die sogenannten App-Shortcuts: Lässt man den Finger auf einem App-Icon liegen, öffnet sich nicht die App, sondern ein Menü mit einigen ihrer Funktionen. So zeigt beispielsweise die Telefonie-App die zuletzt gewählten Kontakte an. Viele Nutzer dürfte es freuen, dass der Nachtmodus mit wärmeren Display-Farben nun fest zum Repertoire gehört.

Zumindest die Smartphones, die nicht über Provider, sondern im Google Store angeboten werden, scheinen genauso offen zu sein wie die ehemaligen Nexus-Geräte. Bei unseren Testkandidaten ließ sich der Bootloader entsperren, um etwa alternative ROMs zu installieren.

Der Google Assistant bietet derzeit gegenüber Google Now keinen großen Mehrwert.

Interessantes Potenzial hat der neu eingebaute Google Assistant, der besser kontextbezogene Infos liefern soll und Google Now ergänzt. Wie bereits in der Chat-App Allo vorgeführt, versteht er natürliche Sprache und greift auf bereits gesammelte Informationen zurück. Bislang schweigt sich Google noch darüber aus, ob er künftig auf allen Android-Geräten verfügbar sein soll. Falls nicht, ist das – zumindest bei aktuellem Stand – kein herber Verlust: Wir konnten dem Assistant keine sinnvolle Information oder Funktion entlocken, die Google Now unter Android 7 nicht auch beherrscht. Angekündigte Features wie das Bestellen von Kinokarten oder Tischreservierungen funktionieren in Deutschland derzeit noch nicht.

Fazit

Technisch zählen die Pixel-Phones unbestritten zur Oberklasse. Sie sehen ziemlich edel aus, ihre Hardware ist sehr gut, der neue Launcher wirkt frischer und hat mit dem Assistant einiges Potenzial. Obendrein gibt es bei den Pixel-Telefonen unlimitierte Foto- und Video-Backups in der Cloud und stets die neuste Android-Version mit regelmäßigen und zeitnah veröffentlichten Sicherheits-Updates.

Diese Kombination löst einen starken Haben-wollen-Reiz aus. Doch neu sind auch die gesalzenen Preise. Schaut man zur Konkurrenz, bekommt man technisch ebenbürtige Alternativen für locker 200 Euro weniger und kann dort eventuell sogar den Speicher erweitern. Sollten aber wie bei den ehemaligen Nexus-Geräten die Preise innerhalb kurzer Zeit merklich fallen, könnten die Pixel-Phones den Mitbewerbern einige Kopfschmerzen bereiten. (spo@ct.de)