c't 22/2016
S. 33
News
Abmahn-Abzocke

Gesetz gegen Abmahn-Missbrauch wirkungslos

vzbv-Untersuchung

Das im Oktober 2013 in Kraft getretene „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ sollte Verbraucher vor hohen Abmahnkosten bei Urheberrechtsverstößen schützen. Das tue es derzeit allerdings nicht, kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): Verbraucher müssen bei Urheberrechtsverstößen, beispielsweise im Bereich Filesharing, immer noch tief in die Tasche greifen, kritisiert der Verband und fordert die Bundesregierung auf, das Gesetz nachzubessern.

Der Verband hatte im Zeitraum von Juni 2014 bis Juni 2015 mehrere seiner Beratungsstellen Fragebögen zur Erfassung von Tauschbörsen-Abmahnungen ausfüllen lassen. Insgesamt 2563 Urheberrechts-Abmahnungen seien so analysiert worden. Außerdem zog der vzbv eine Stichprobe von 301 Altfällen aus dem Aktenbestand heran, um einen Vergleich zum Zeitraum zu haben, bevor das Gesetz in Kraft trat. Der Vergleich zeige, dass es dem Gesetzgeber nicht gelungen sei, „unberechtigten und überhöhten Anwaltsgebühren einen Riegel vorzuschieben“. Das Gesetz beschränkt den Streitwert für Tauschbörsen-Abmahnungen eigentlich auf 1000 Euro, sodass die Anwaltsgebühren nicht mehr als 124 Euro betragen dürften. Doch es enthält eine Ausnahme, die der vzbv und andere Verbraucherverbände schon während der Gesetzgebung kritisiert hatten: Wenn der Streitwert „nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig“ ist, gilt die Deckelung nicht. „Darüber, was ‚unbillig‘ bedeutet, fehlt jedoch eine gesetzliche Klarstellung“, ärgert sich Lina Ehrig, Leiterin des Teams „Digitales und Medien“ beim vzbv. Abmahnanwälte nutzen diese Lücke: In 35 Prozent der untersuchten 2563 Fälle nahmen sie auf die Unbilligkeitsregelung Bezug und setzten mehr als 1000 Euro Streitwert an. Wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen abgemahnte Verbraucher einigen sich meist aus Furcht vor hohen Verfahrenskosten außergerichtlich mit den Abmahnkanzleien. „Diese außergerichtlichen Vergleichsforderungen der Abmahnkanzleien sind weiterhin sehr hoch und gemäß unserer Auswertung seit 2012 sogar um 15 Prozent gestiegen, von 757 Euro auf 872 Euro“, sagt Ehrig. Außerdem beschränke sich die gesetzliche Streitwertdeckelung nur auf die Anwaltskosten. Parallel geltend gemachte Schadensersatzansprüche würden nicht begrenzt. Dieses Einfallstor machten sich die Abmahnanwälte ebenfalls zunutze.

„Wir brauchen eine klare und rechtssichere Regelung zur Eindämmung von Abmahnungen mit unverhältnismäßig hohen Abmahngebühren“, fordert Ehrig. Die Bundesregierung plant eine Evaluation des Gesetzes bis Anfang des Jahres 2017. Dies war in den Koalitionsverhandlungen 2013 so vereinbart worden. (hob@ct.de)