c't 17/2016
S. 3
Editorial
Christof Windeck

Ach, dieses krautige Crowdfunding!

Es ist eine geniale Idee, außergewöhnliche Produkte und Projekte zu finanzieren, indem man Macher und Interessenten per Internet zusammenbringt. Doch als Hardware-Redakteur gehen mir Kickstarter, Startnext, Indiegogo und Co. ganz schön auf die Nerven. Das heißt: nicht die Crowdfunding-Seiten selbst, sondern Projektmacher, die um meine Aufmerksamkeit heischen. Immer wieder trudeln Hinweise auf angeblich revolutionäre Ideen ein - selbstverständlich mit dem Ziel, dass ich darüber berichte.

Ich will mich aber nicht vor den Karren windiger Geschäftemacher spannen lassen. Letztlich soll bei der virtuellen Rudelfinanzierung echtes Geld fließen. Das lockt Hütchenspieler an. Also prüfe ich den Wahrheitsgehalt von Produktankündigungen. Können die technischen Daten stimmen? Ist der Liefertermin realistisch? Hat das Team die nötigen Ressourcen für anständigen Support? Haben die Macher Erfahrungen mit anderen Projekten? Crowdfunding funktioniert als Prozess, bei dem direkter Austausch Vertrauen schafft: Die Macher informieren über Fortschritte und Rückschläge, diskutieren Kritik und Änderungswünsche. Die Klein-Investoren tragen eine Idee weiter, an deren Erfolg sie glauben - in dem Wissen, dass ein Projekt auch scheitern kann.

Wenn es um angekündigte Produkte geht, ist es schon bei etablierten Herstellern nicht immer leicht, an stichhaltige Informationen zu kommen. Intel hat jüngst die jahrelang beworbenen Smartphone-Chips beerdigt, AMD die ARM-x86-Kombitechnik Skybridge, Googles modulares Smartphone Ara endet als Telefon mit Wechselakku. Bei Crowdfunding-Projekten ist es noch schwieriger, kompetente Innovationen von Luftnummern zu unterscheiden. Das ist aber unerlässlich, weil jegliche Berichterstattung ein Projekt aus der Masse heraushebt und alleine schon dadurch als Empfehlung wirkt. Genau das ist ja das Ziel derer, die mich auf ihre Crowd-Produkte hinweisen - und dabei oft genug "vergessen", ihre persönliche Beteiligung am jeweiligen Projekt zu erwähnen. Manche beschäftigen sogar Marketing-Profis. Wo hört ehrliche Begeisterung auf, wo fängt nackte Profitgier an?

Nun ist es aber keine Lösung, nie wieder über Crowdfunding-Ideen zu berichten. Es bringt auch nichts, jeden Bericht mit dem Hinweis "Achtung, Projekt" zu verzieren. Ich muss wohl doch weiterhin jedes einzelne Projekt abklopfen, wenn es spannend klingt. Die gehen mir auf die Nerven, die Crowdfunder!

Unterschrift Christof Windeck Christof Windeck

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