c't 12/2016
S. 64
Reportage
Wettervorhersagen berechnen
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Supercomputer statt Bauernregel

Mit massenhaft Rechenleistung zur besseren Wettervorhersage

Bauernregeln und Wetterfrösche haben lange ausgedient: Heute kommt die Wettervorhersage aus dem Computer. Die Rechenschränke der Wetterdienste führen hunderte Billionen Berechnungen pro Sekunde durch und können sogar Unwetter in engen Alpentälern voraussagen. In einigen Supercomputern rechnen vor allem Grafikkarten.

Dreht mehrmals sich der Wetterhahn, so zeigt er Sturm und Regen an. Jeder kennt solche Bauernregeln, die aufgrund einer bestimmten Wetterlage versuchen, kurzfristige Wetterprognosen zu treffen. Für moderne Gesellschaften reichen die aus dem Altertum stammenden Bauernregeln nicht mehr aus, denn sie sind ungenau und unzuverlässig.

Heute möchte man zu jeder Zeit über das kommende Wetter genau Bescheid wissen – in manchen Fällen hängen Millionenrisiken (Energiesektor) oder Menschenleben (Luftfahrt, Unwetter) davon ab. Schon kurz nach dem Aufstehen werfen viele Menschen einen Blick auf den Wetterbericht, um die passende Kleidung auszusuchen. Mittel- und langfristige Wettervorhersagen beeinflussen die Ausflugs- und Urlaubsplanung. Kurzum: Eine zeitgemäße Wettervorhersage muss so genau und zuverlässig wie möglich sein.

Um das zu erreichen, wertet die moderne Meteorologie täglich riesige, minutengenau erhobene Datenmengen aus und erstellt über komplizierte Berechnungen kurzfristige (bis 7 Tage), mittelfristige (bis 10 Tage) und langfristige Prognosen. Je mehr Daten eingespeist werden und je feiner die die Vorhersage geografisch aufgelöst sein soll, desto mehr Rechenschritte sind nötig. Um nach kurzer Rechenzeit rasche Vorhersagen liefern zu können, kommen für die Wetterberechnungen extrem starke Supercomputer zum Einsatz, die hunderte Billionen Operationen pro Sekunde durchführen können.

Wetter ermitteln

Wetterstationen ermitteln Messwerte wie Lufttemperatur, Windrichtung und Windstärke. Solche Wetterstationen sieht man auch an Autobahnen und Bundesstraßen. Bild: Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr

Die Wetterdaten kommen von Wetterstationen, von denen es weltweit fast 100 000 gibt. Sie messen unter anderem Lufttemperatur, Windrichtung, Windstärke und Niederschlag an geografisch wichtigen Punkten. Teilweise sind dort Mitarbeiter im Schichtbetrieb im Einsatz, um die Messinstrumente abzulesen und zusätzlich zu den Sensormessungen noch sogenannte Augenbeobachtungen weiterzugeben. Die nationalen Wetterdienste haben jedoch nur Zugriff auf rund 11 000 der wichtigsten Stationen; dazu kommen die eigenen Messstationen. Selbst die stärksten Supercomputer wären mit der Aufgabe überfordert, die Daten aller Wetterstationen weltweit zu berücksichtigen.

Zum Kasten: Problemfall Deutschland

Der Deutsche Wetterdienst (DWD), der steuerfinanzierte amtliche Vorhersagedienst für Deutschland, gehört mit seinen rund 2400 Mitarbeitern zu den fünf größten Wetterdiensten weltweit. Der DWD nutzt deutschlandweit knapp 2000 meist automatisierte eigene Messstellen; eines der dichtesten Netze weltweit. Daneben existieren etwa 200 Wettermessstellen an Autobahnen, die zwar die Straßenverkehrsbehörden betreiben, aber nach Maßgabe des DWD aufgebaut wurden. Die Autobahnmessstationen führen jedoch keine Windmessungen durch, da vorbeifahrende Fahrzeuge die Messwerte verfälschen würden. Auch an Schleusen sind häufig Wetterstationen aufgebaut, die vor allem Auskunft über den örtlichen Niederschlag geben; einige werden von den jeweiligen Landesanstalten für Umwelt betrieben. Weiter schickt das DWD pro Jahr etwa 7500 Wetterballons in die Luft und nutzt Daten von 17 Wetterradargeräten sowie geostationärer Satelliten und Messungen in Flugzeugen (AMDAR), hauptsächlich die der Lufthansa. Bis Ende 2021 will der DWD sämtliche Messstationen automatisieren. Die Ergebnisse privater Wetterstationen hingegen fließen nicht in die Berechnungen ein, da die Qualität der Daten nach Angaben des DWD nicht ausreicht.

Wetter berechnen

Um aus der Vielzahl von Daten das Wetter für eine bestimmte Region vorherzusagen, wird diese mit einem virtuellen Gitternetz überspannt und in Quadranten eingeteilt. Je enger der Gitterabstand des Netzes ist, desto genauer wird die Vorhersage – desto höher aber auch die benötigte Rechenleistung. In die Höhe rechnen die Meteorologen ebenfalls, meistens bis zu einem Erdabstand von 75 Kilometern. Die Schichtdicke steigt mit dem Abstand vom Boden von 10 Metern auf einige Kilometer in der Stratosphäre.