c't 11/2016
S. 3
Editorial
Urs Mansmann

Kontrollierter Zugang

Urlaubszeit: Bald fahren wieder viele Deutsche ins Ausland, wo es WLAN ohne Zugangskontrolle gibt. Daheim gilt hingegen die sogenannte Störerhaftung: Eltern haften für ihre Kinder, Hotspot-Betreiber haften für ihre Nutzer.

Gerecht geht es dabei nicht zu. Das Providerprivileg erlaubt es großen Anbietern, ihren Kopf mit geringem Aufwand aus der Schlinge zu ziehen. Kleine private und gewerbliche WLAN-Anbieter tragen hingegen das volle Haftungsrisiko. Wie komplex dieses System ist, ging mir neulich auf, als ich versuchte, es jemandem auf Englisch zu erklären. Das ist gar nicht so einfach. Offenbar hatte es mein Gesprächspartner aber dann doch verstanden: „Weird“ lautete seine Zusammenfassung – bizarr.

Es ist kein Zufall, dass die großen Internet-Firmen in den USA sitzen und nicht in Deutschland. Die Zukunft findet ohne uns statt. WLAN in den Innenstädten scheitert – wie so vieles – an Rechtsfragen. Die Politik pampert derweil lieber die Film- und Musikindustrie, die die technische Entwicklung verschlafen hat und glaubt, sie könnte mit Lobbyarbeit das Internet aufhalten. Das verschafft Abmahnanwälten Arbeit, statt unser Land fit für den digitalen Wettbewerb zu machen. Inzwischen mahnt sogar die Bundeskanzlerin zur Eile.

Derweil diskutiert die große Koalition ernsthaft über Details wie vorgeschriebene Vorschaltseiten mit Vertragsbedingungen. Als ob jemand, der auf „ich werde nichts Verbotenes tun“ klickt, anschließend nichts Verbotenes täte. Aber was erwarte ich in einem Land, in dem im Internet Sendezeitbeschränkungen gelten, sodass ich den Tatort nur nachts online sehen kann?

Während der Europäische Gerichtshof darüber verhandelt, ob die Störerhaftung die Bürger zu sehr benachteiligt, sorgen sich deutsche Abgeordnete darum, ob der Film- und Musikindustrie eine neue gesetzliche Regelung mit entschärfter Störungshaftung womöglich zu liberal sein könnte. Ich habe schon eine Ahnung, in welche Richtung es am Ende geht.

Gästen aus den USA oder China muss Deutschland wie ein Heimatmuseum vorkommen: Neuschwanstein, Fachwerk, Sauerkraut – und WLAN gibts nur in der Bibliothek. Vielleicht liegt in dieser Offline-Romantik ja unsere Zukunft: Devisen erwirtschaften wir dann von Touristen mit kostenpflichtigem WLAN und mit Abmahnungen für Urheberrechtsverstöße.

Unterschrift Urs Mansmann Urs Mansmann

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