c't 11/2016
S. 30
News
Drohnen
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Bild: Amazon

Himmelsstürmer

Amazons Ideen für Lieferdrohnen und den passenden Rechtsrahmen

Vollautomatische Lieferungen mit Flugdrohnen sind Amazons Traum. Eine neue Luftraumregulierung würde das Vorhaben enorm erleichtern. Doch die privaten Piloten wollen sich nicht abdrängen lassen.

Es sind im wahrsten Sinne des Wortes hochfliegende Pläne: Amazon will Päckchen, die weniger als 2,3 Kilogramm wiegen, künftig auch mit Drohnen ausliefern. Diese sollen „hochgradig automatisiert“ fliegen und die Ware maximal eine halbe Stunde nach Bestellung beim Kunden im Garten absetzen.

Erstmals erwähnt hatte Amazon diese Pläne 2013, seitdem wurden immer wieder neue Details bekannt. Die aktuellen Prototypen der Drohnen starten und landen senkrecht und fliegen mit knapp 90 km/h. „Wir glauben, dass diese Drohnen eines Tages so normal sein werden wie Lieferwagen auf der Straße“, sagte Amazon-Manager Paul Misener vor Kurzem in einem Interview. Auch an Drohnen, die Kunden in mehrstöckigen Häusern beliefern, arbeite man.

Amazons Regulierungsvorschlag

Wer denkt, dass Amazon das nicht ernst meint, sondern nur seine Logistikpartner nervös machen will, kennt das Unternehmen schlecht. Ein Problem kann Amazon allerdings nicht im Alleingang lösen: Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ist der Praxiseinsatz von Lieferdrohnen in den USA und auch in Deutschland aktuell nicht möglich. Bislang dürfen Drohnen dort nur innerhalb der Sichtweite eines Piloten am Boden operieren.

Zwei-Drohnen-Gesellschaft

Anfang Mai präsentierte Amazon deshalb auf der Drohnenkonferenz Xponential in New Orleans seine Vorstellungen für eine neue, global einheitliche Luftraumregulierung für Drohnen. Kern des Vorschlags ist eine horizontale Flugverbotszone zwischen 122 und 152 Metern über Grund, die als Sicherheitspuffer fungieren soll. Der Bereich darüber würde in erster Linie der klassischen Luftfahrt dienen und von der bestehenden Flugsicherung verwaltet. Den Bereich unter 122 Metern will Amazon zweigeteilt sehen: Die obere Hälfte, also von 61 bis 122 Metern über dem Boden, ist für den Drohnen-Fernverkehr gedacht.

Um sich für diese Hochgeschwindigkeitszone zu qualifizieren, müsste eine Drohne nicht nur flott sein, sondern auch andere Objekte erkennen und ihnen ausweichen können („sense and avoid“). Dafür müsste sie zur Kommunikation mit anderen Drohnen über IEEE 802.11p (WAVE) in der Lage sein. Der Standard wurde bislang zum Beispiel in Pilotprojekten mit autonomen Autos getestet.

Langsame Drohnen wären auf die unterste Schicht beschränkt, also maximal 61 Meter Höhe. Hier würden die meisten Hobby-Piloten fliegen sowie Unternehmen, die etwa Brücken inspizieren oder Luftaufnahmen machen.

Amazons Plan sieht zwei Arten vertikaler Sonderzonen vor: einerseits als risikoarm eingestufte Gebiete, in denen sich Hobbyisten austoben dürften. Nur dort wäre es ihnen gestattet, auch in höhere Sphären vorzudringen. Und andererseits Flugverbotszonen – dauerhafte, insbesondere rund um Flughäfen, und temporäre, etwa bei Einsätzen von Rettungshubschraubern.

Den Drohnenverkehr steuern und beaufsichtigen soll in Amazons Vorschlag nicht die klassische Flugsicherung (wie hierzulande die DFS Deutsche Flugsicherung), sondern neue Lotsen. Davon soll es viele geben, deren Zuständigkeitsbereiche sich bewusst überlagern. Sie sollen untereinander sowie mit der klassischen Flugsicherung kommunizieren. Offen lässt Amazon, wer die Aufgabe übernehmen und wer sie finanzieren soll.

„Der Luftraum wird eines Tages verstopft werden“, sagte Amazon-Manager Gur Kimchi auf der Drohnenkonferenz. „Wir müssen vorbereitet sein.“ Zum Schluss wandte er sich direkt an die im Auditorium anwesenden Mitarbeiter der US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA): „Bitte arbeiten Sie mit uns und führen Sie leistungsabhängige Standards ein.“

Die FAA lässt sich allerdings nicht hetzen. „Wir sind auf diesem Gebiet sehr vorsichtig“, sagte ein Beamter auf der Konferenz. Frühestens 2019 sei mit neuen Regeln zu rechnen.

Modellflieger wehren sich

In Deutschland könnte es schneller gehen. Im Herbst verkündete Bundesverkehrsminister Dobrindt, dass er die Regeln für Drohnen ändern will: „Landesbehörden können künftig gewerbliche Flüge auch außerhalb der Sichtweite des Steuerers erlauben, wenn der sichere Betrieb nachgewiesen wird.“ Private Drohnen hingegen will Dobrindt nur auf Sichtweite sowie maximal 100 Meter hoch fliegen lassen.

Modellflieger laufen Sturm gegen Dobrindts Vorschlag, weil sie befürchten, dass auch sie auf 100 Meter begrenzt werden und den Raum darüber für kommerzielle Betreiber freimachen müssen. Der Deutsche Modellflieger Verband (DMFV) gründete Anfang April die Initiative „Pro Modellflug – Hände weg von meinem Hobby“. Eine zugehörige Petition wurde schon von knapp 70 000 Bürgern unterschrieben.

Die Drohnen-Fraktionen formieren sich ebenfalls: Anfang Mai gründete sich in Köln der „Bundesverband Copter Piloten (BVCP)“, der hauptsächlich die Interessen kleiner Drohnen-Firmen vertritt. Im „Verband für die unbemannte Luftfahrt (UAV DACH)“ arbeiten hingegen Konzerne wie Airbus, OHB und Daimler sowie Universitäten zusammen.

Das Bundesverkehrsministerium hat noch nicht verraten, wann mit den konkreten Gesetzesvorschlägen zu rechnen ist. Aber es ist durchaus denkbar, dass die Regeln noch vor 2019 in Kraft treten – und Amazons Drohnen in Deutschland abheben, bevor sie das in den USA tun. (cwo@ct.de)