c't 10/2016
S. 3
Editorial
Ronald Eikenberg

Abschied nehmen

Viele einst treue Windows-Wegbegleiter sind im Laufe der Jahre von uns gegangen. Erinnern Sie sich noch an Outlook Express oder den Netscape Navigator? Oder an den freilich weniger beliebten, aber oft unverzichtbaren Zeitgenossen namens Real Player?

Der jüngste Todesfall hat sich im Hause Apple ereignet: Quicktime für Windows ist offiziell dahingeschieden. Der Apple-Player war gewissermaßen der Vorreiter der heutigen In-App-Käufe: Er funktionierte zwar, wer aber auf die abwegige Idee kam, damit ein Video im Vollbild abspielen zu wollen, sollte über Jahre hinweg die Pro-Version kaufen. Werden Sie Quicktime vermissen? Ich nicht. Falls Sie es noch auf dem Rechner haben, sollten Sie es umgehend deinstallieren. Es enthält üble Schwachstellen, die nicht mehr geschlossen werden (siehe Seite 40).

Angezählt sind auch Adobe Flash sowie Java im Browser. Endlich. Manche Software stirbt einen langsamen, qualvollen Tod, Windows XP etwa. Microsoft hat die lebenserhaltenden Maschinen vor über zwei Jahren abgeschaltet und versorgt es seitdem nicht mehr mit Sicherheits-Patches. Laut der Analysefirma Netmarketshare belegt es aber immer noch Platz drei unter den meistverbreiteten Betriebssystemen - vor Windows 8, OS X und Linux. Jeder Zehnte hat demnach Probleme, Abschied zu nehmen und hält sich stattdessen lieber seinen persönlichen Software-Zombie. Ein Betriebssystem, das keine Patches mehr bekommt? Ernsthaft?

Das ist verantwortungslos und gefährlich. Auch immer mehr Anwendungen bekommen unter XP keine Updates mehr. So hat zuletzt Google erklärt, seinen Chrome-Browser unter XP fallen zu lassen. Andere wie Opera werden folgen und auch Dropbox-Nutzer schauen bald in die Röhre. Wer XP nach wie vor im Alltagseinsatz nutzt, dem schmilzt das ohnehin schon dünne Eis unter den Füßen weg. Aber auch unter modernen Betriebssystemen sind Programme, die nicht mehr gepatcht werden, eine tickende Zeitbombe.

Ich trauere meinen treuen Wegbegleitern von einst keine Träne nach. Die Welt hat sich verändert - ich habe mich verändert. Habe ich auf neuen Rechnern früher noch stets eine lange Liste an Lieblingsprogrammen installiert, gehegt und gepflegt, komme ich heute mit einer Handvoll Anwendungen aus; das meiste davon ist sogar Open Source. Software-Zombies haben in der heutigen Zeit nichts mehr verloren. Machen wir dieser Gattung doch den Garaus.

Unterschrift Ronald Eikenberg Ronald Eikenberg

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