c't 10/2016
S. 16
Trend
Smart Home

Leben in der High-Tech-Oase

Rundgang durchs „schlaueste Haus Deutschlands“

In Hamburg steht das mit Technik vollgestopfte „Apartimentum“ des Xing-Gründers Lars Hinrich kurz vor seiner Fertigstellung. c’t hatte die Gelegenheit, sich das Projekt vor der Eröffnung anzuschauen.

Lars Hinrichs lehnt sich über die Zeile der offenen Küche und drückt einige Knöpfe, worauf eine Dunstabzugshaube aus dem weißen Block neben ihm fährt. Die anwesenden Journalisten sind erleichtert: Endlich bekommen sie ein Bild mit dem Bauherrn, das sich mit dem Begriff „Smart Home“ verbinden lässt. Willkommen auf der Baustelle des „Apartimentum“, dem „schlauesten Haus Deutschlands“.

Bauherr Lars Hinrichs demonstrierte in seinem smarten Haus, wie die Thermostate der Google-Tochter Nest arbeiten.

Als Bauherr ist Lars Hinrich bislang kaum in Erscheinung getreten, man kennt ihn eher als Gründer des Business-Netzwerks Xing. Ihm ging es nach eigenen Angaben nicht nur darum, eine vorhandene Immobilie in das schlaueste Haus Deutschlands umzubauen. Er will das Wohnen als solches verändern: „Living as a Service“ – abgeleitet von „Software as a Service“ – lautet der Gedanke hinter dem Projekt. Passend dazu vermietet er alle Wohnungen mit Smart-Home-System, Internet, Strom, Wasser und so weiter zum Flatrate-Tarif.

Das bedeutet aber eben auch, dass der der 39-jährige Unternehmer als Betreiber die Kosten im Blick behalten muss. Da ist es hilfreich, wenn beispielsweise Jalousien-Stellung und Lüftung automatisch nach dem Wetter reguliert werden und danach, ob der Mieter daheim ist oder nicht. Hinrichs Prognose: Das Apartimentum wird dreißig Prozent weniger verbrauchen als ein normales Haus.

Im ersten Abschnitt entstehen im Hamburger Stadtteil Rotherbaum 20 Wohnungen – die kleineren haben eine Gesamtgröße zwischen 115 und 176 Quadratmeter, die Penthäuser gehen über mehrere Etagen und sind rund 200 Quadratmeter groß. Im Mai sollen die ersten Mieter einziehen.

Laut Hinrichs ist in den Wohnungen alles zu finden, was man sich auch im Eigentum gönnen würde – darunter Küchengeräte von Miele, Musiksysteme von Sonos, vernetzte LED-Beleuchtung mit Licht-Weck-Funktion von Osram, 75 Zoll große Flat-TVs von Samsung und Duschen mit verschiedenen Programmen. Zur Flatrate lassen sich Zusatzdienste hinzubuchen – beispielsweise für automatische Waschmittel-Lieferungen. Dass der Vorrat zur Neige geht, meldet die Maschine sowieso.

Und der Komfort fängt nicht erst in der Wohnungen an: Der Briefkasten teilt dank Sensortechnik jedem Bewohner mit, wenn Post eintrifft; zudem installiert DHL für alle Mieter im Haus eine gemeinsame Packstation. Der Fahrstuhl merkt, wenn jemand das Haus betritt und kommt angefahren, Besucher sollen über LED-Bänder zu einzelnen Apartments geführt werden. Unabhängig von dem 100-MBit-DSL-Anschluss in jeder Wohnung bekommen Bewohner und Besucher über WLAN im ganzen Haus Zugang zum Internet – trotz noch geltender Störerhaftung offen und kostenlos.

In der Garage gibt es eine E-Tankstelle mit 16 Säulen, aufrüstbar auf 32 Zapfstellen. Für den zweiten Bauabschnitt nebenan ist sogar ein Drohnen-Landeplatz geplant.

Unter Kontrolle

Beim Um- und Ausbau der Immobilie wurde – auch in den Wohnungen – auf Stahlbeton gesetzt, weshalb man im Inneren eigentlich komplett vom mobilen Datenfunk abgeschnitten ist. Doch Hinrichs betont stolz, dass das auf dieses Haus nicht zutrifft: „LTE in jedem kleinsten Winkel“. Die Aussage irritiert anwesende Journalisten, deren Smartphones kämpfen, um überhaupt einen Empfangsbalken zu erreichen. „Falscher Provider“, stellt Hinrichs trocken fest. Immerhin soll der Empfang für andere Provider im Hausinneren noch verbessert werden.

Mobilgeräte sind die zentralen Komponenten des Smart-Home-Systems: Mindestens drei iPads hängen in jeder Wohnung an der Wand, das Smartphone des Mieters ist zudem elektronischer Schlüssel für die Wohnung und die Schnittstelle von außen – etwa, um mit Besuchern vor der Wohnungstür via Videokonferenz zu sprechen oder sich auf dem Weg nach Hause schon einmal das Badewasser einzulassen.

Laut Hinrichs ließe sich ein Projekt wie das Apartimentum nicht mit einem Fertigsystem wie KNX umsetzen. Stattdessen setze man voll auf IP – per Funk und via Kabel. Insgesamt rund 100 Kilometer Ethernet-Strippen seien verlegt worden, durch die auch Strom fließt. Selbst neben der Toilette gibt es eine Ethernet-Buchse – für Dinge, die da in den nächsten Jahren noch kommen mögen.

Die 120 Kilo schwere Wohnungstür ist eine Spezialanfertigung, inklusive Kamera, Internetverbindung und Sensoren, die einen Einbruchsversuch erkennen sollen. Andere Geräte kommen hingegen in smarter Ausführung „von der Stange“ – etwa die Waschmaschine von Miele. Die funkt nach dem Zigbee-Home-Automation-Protokoll, weshalb ein passender Hub im Elektronikraum steht, der zu jeder Wohnung gehört. Die Smartphones kommunizieren erwartungsgemäß via Bluetooth Smart mit dem smarten Schloss in der Tür.

Nun könnte man meinen, dass sich die einzelnen Smart-Home-Komponenten im Apartimentum über eine Oberfläche steuern lassen. Dieser Vorstellung erteilt Hinrichs eine klare Absage: „Eine App für alles kann und wird nicht funktionieren.“ Stattdessen wird das smarte Heim über insgesamt 14 Apps gesteuert. Eine zentralisierte Mobilgeräteverwaltung ermögliche aber, dass der Mieter auch sein mitgebrachtes Smartphone ans System anbinden kann.

Zur Wohnung gehört ein Elektronikraum (ganz links), in dem unter anderem ein ZigBee-Hub (links) zu finden ist.

Unübersehbar sind die in Deutschland offiziell nicht erhältlichen Raumthermostate der Google-Tochter Nest. Sie sind in jedem Zimmer installiert – selbst in einem Ankleidezimmer von vielleicht sechs Quadratmeter Größe zwischen Schlafzimmer und Bad, die ihrerseits eigene Regler haben. Tatsächlich lässt sich in den Wohnungen die Temperatur jedes Zimmers einzeln regulieren – was von Nests Ansatz eines zentralen Thermostats abweicht.

Auf Nachfrage bestätigt der Bauherr, dass auch Rauchmelder von Nest zum Einsatz kommen – und zählt im gleichen Atemzug deren Vorteile auf: Zusätzliche Sensoren sind für die Anwesenheitserkennung zuständig, statt eines Piepsens erhält man im Gefahrenfall eine klare Ansage. Die sei mittlerweile in deutscher Sprache verfügbar, der Bauherr hat aber eher eine englischsprachige Klientel im Auge hat.

Wohliges Nest

Für einige Verblüffung sorgt die Beschreibung, welchen Weg die Daten bei Benutzung des Nest-Thermostaten nehmen: Sie wandern zunächst von Hamburg zum Cloud-Server von Nest in die USA, von wo die Antwort zum Cloud-Server eines Dienstleisters in der Schweiz geschickt wird. Der generiert daraus wiederum Steuerdaten für die Fußboden-Heizung und schickt sie durchs Internet nach Hamburg.

Auch beim WLAN-Router setzt der Bauherr auf Google; das „OnHub“-Modell wurde aus den USA importiert.

Spätestens jetzt drängt sich das Thema Datenschutz auf; immerhin werden an rund 540 Punkten im Apartimentum Daten erhoben. Lars Hinrichs selbst bezeichnet Datenschutz an einer Stelle als „den größten Innovationskiller, den man haben kann“, betont aber andererseits, dass man erhobene Daten nicht auf einzelne Wohnungen zurückverfolge. In den späteren Wohnzimmern ist daher zwar ein Anschluss für eine Überwachungskamera vorhanden, eine solche aber nicht vorinstalliert. Das bleibt Sache des Mieters.

Ausblick

Wer ins Apartimentum einziehen will, sollte über das nötige Kleingeld verfügen: Zwischen 4000 und 11 500 Euro wird die monatliche Miete für die Wohnungen des ersten Abschnitts betragen.

Deutsche Langzeit-Mieter hat Lars Hinrichs aber eh nicht im Visier. Er will mit dem Projekt Menschen ansprechen, die für eine begrenzte Zeit in Hamburg leben, bevor sie beispielsweise nach Schanghai weiterziehen. Es geht um Menschen, die Eigentum nicht als Lebenskonzept betrachten, sondern auf „Shared Economy“ setzen – allerdings in bester Lage. (nij@ct.de)