c't 1/2016
S. 3
Editorial
Peter Siering

Bescherung 2.0

Die Jungs aus dem Südosten der USA, die die klebrige, braune Brause herstellen und den Weihnachtsmann erfunden haben, sind reinste Waisenknaben gegenüber den Software-Wohltätern aus dem Nordwesten. Die lassen jetzt kühnste Kindheitswünsche wahr werden: Wer ihr neuestes Produkt einsetzt, für den ist drei- bis viermal im Jahr Bescherung.

Die Annahme der Gaben kann man nicht verweigern. Geschenkt ist geschenkt. Herzallerliebst ist die Mühe, die diese Wohltäter darauf verwenden, die Präsente zu verpacken. Von außen sieht man nicht, was drinsteckt: Die Pakete sind immer riiiieeesengroooooß und es ist nicht nur warme Luft darin, sondern es finden sich neue, nie gesehene Zutaten gepolstert von Altbekanntem darin.

Die neuen Zutaten sind wie seit Jahren schon in unübersichtliche Autostarts eingewickelt, verwoben in den Privacy-Optionen des Systemsteuerungsnachfolgers oder subtil in CurrentControlSet/Services eingeflochten. Manchmal kleben sie hartnäckig wie ein Stück tesaschwangeres Geschenkpapier, das sich am heiligen Abend partout nicht vom Strickstrumpf lösen lässt.

Unbezahlbar ist deshalb die Freude der Beschenkten: Bescheren ihnen die Gaben doch besinnliche Stunden, in denen sie bei passender Musik die Privacy-Optionen durchgärtnern dürfen, in denen sie noch mal aktiv reflektieren können, ob die gewählten Standard-Programme noch en vogue sind, und in denen sie auch ein wenig bangen müssen, dass der Traum von Windows as a Service für sie persönlich platzt.

Schon Ostern ist die nächste Lieferung fällig. Gerade hatte man seinen Frieden mit den Neuerungen gemacht, da legt der kuckuckeske Hase aus Redmond das nächste Ei ins Nest. Bebrüten darf es der Anwender. Was mag wohl schlüpfen? Wir werden sehen. Wenn wir Glück haben, geht die schönste Zeit des Jahres, die der großen Ferien, ohne Upgrade über die Bühne. Aber dann platzt sicher die nächste Windows-Bombe im heißen Herbst.

Ein bisschen ist es so wie mit den Geschenken von Schwipptante Gerda, die jedes Jahr zum Fest anreiste. Alle Familienmitglieder wickelten ihre Gaben artig aus, bedankten sich ergeben und ließen den Kram zügig in der Versenkung verschwinden, wenn sie abgereist war. Beim nächsten Mal ging vor dem Fest die große Sucherei los, um die Hütte für kurze Zeit mit ihren Häkeldeckchen, Urlaubsfotos und Kränzen zu schmücken.

Da lob ich doch Microsofts Bescherung 2.0: Es kommt alles Unliebsame passend zur Upgrade-Bescherung selbstständig aus den dunklen Ecken herbeigekrochen. Wenn es jetzt auch noch von allein wieder dorthin verschwinden würde – das wäre ein Fest!

Unterschrift Peter Siering Peter Siering

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