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Was war. Was wird.

Die einen Journalisten vergessen Häkchen, die anderen schwallen oder lassen Quadcopter steigen. CIA, NSA und Co. machen ohnehin, was sie wollen. Hal Faber sucht im Krautrock Trost.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die Uhr schlägt zwölf. Was ist denn das? Verflixt noch mal, da rührt sich was, da klappert eine Tastatur wie toll, from Graceland to Gronau gibt's Rock'n Roll. Ja, der Online-Journalismus war kaputt, vor genau einer Woche. Da erschien das WWWW erst, als die Sonntagsschicht ihre Arbeit aufnahm, weil das Häkchen für die Veröffentlichung nach Mitternacht fehlte. Das Recht auf Vergessen ist irgendwie menschlich. Hach, wir kriegen das wieder hin, keine Frage: WWWW 110000011 (oder 303 in einem anderen Zahlensystem) erscheint, nur echt mit bestem Krautrock. Jawohl, mit echtem Krautrock und der Anleitung zum Selbstmord.

*** Der Online-Journalismus ist kaputt, sagt Krautchan, ähem Krautreporter und kloppt dabei echte Krautphrasen: "ein tägliches Magazin für die Geschichten hinter den Nachrichten". Hach, die haben uns ja so gefehlt, diese Geschichten hinter den Nachrichten. Diese Zeit, "die nötig ist, um eine gute Geschichte zu erzählen" – wer hat die schon? Vielleicht niemand, denn bisher liegen erst 3556 Kreditkarten-Datensätze vor, mit denen diese "AfD für Internetauskenner" (Süddeutsche Zeitung, Artikel "Der Club" hinter Paywall) rechnen kann. Das dauert also, bis ein weitreisender Paradiesvogel loslegen kann mit Erzählungen, wie einem die Zukunft durch die Glieder fahren kann. Noch ein Phräschen gefällig? "Wir bringen die Netzkultur des Dialogs und des Zweifels als Innovation in den Journalismus ein und glauben, dass man die Leser bitten kann, ob sie dafür nicht bezahlen wollen." Große Güte, was für ein Geschwalle. Dann doch lieber Krautrock.

*** Wie geht das eigentlich mit den Geschichten hinter den Nachrichten? Nun, da haben wir die Nachricht, dass unsere Regierung keine sicherheitsrelevanten Aufträge an IT-Firmen vergeben möchte, verbunden mit der Nachricht, dass unsere Regierung an der Zusammenarbeit mit CSC festhalten will. Wer Hirn zwischen den Ohren hat, wird sich daran erinnern, dass CSC als outgesourcte IT-Abteilung der amerikanischen Geheimdienste CIA und NSA vor einem Monat einen Big Brother Award bekommen hat. Prügelt man CSC in die Suchmaschine Yandex, so ist dieses Video das erste deutsche Suchresultat und immer noch keine Geschichte hinter der Nachricht, vom Zweifel als Innovation erst recht keine Spur. Außerdem stellt CSC nichts her, auf das man einen schmucken Sticker mit Gesche-Joost-Fellbesatz kleben kann.

*** Wie wäre es dann mit dieser Nachricht vom Angriff auf das Schengener Informationssystem, von dem 272.606 Datensätze aus Deutschland betroffen waren. Hier könnte man erzählen, dass der ungenannte externe Dienstleister die Firma Datacentralen war, seit den seeligen Zeiten von Echelon eine Tochterfirma von CSC und dass es genau dieser von Cryptome gespeicherte Zusammenhang war, der den Pirate Bay-Gründer Gottfrid Svartholm dazu brachte, das dänische System zu hacken. Die Geschichte um den in Einzelhaft sitzenden Svartholm, auch bekannt als Anakata und den ihn entlastenden Hacker Jacob Appelbaum ist sehr komplex und könnte bis zum September 2014 ausgebaut werden, wenn sein Prozess in Schweden beginnt. Wayne!

*** Die auf drei Bände ausgelegte Geschichte der Rechenautomaten ist in dieser Woche als eine Kompilation enttarnt worden, die sich zumindest im ersten Band außerordentlich großzügig bei Wikipedia oder ähnlichen Wissensvorräten wie die des Arithmeums oder bei der Geschichte des mechanischen Rechnens bedient. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fällte dieser Tage in einem Artikel (hinter Paywall) das harte Urteil von einer "lumpigen Textcollage". Nach dem Wikipedia-Klon der großen Seeschlachten wird diese aneignende Form der Datenverarbeitung offenbar zunehmend beliebt. Interessant ist die Begründung des Rechts auf Remix durch den Autor Wolfram Lippe: Weil es sich um ein Fachbuch und kein wissenschaftliches Werk handele, sei das Plagiieren erlaubt. Ein Fachbuch bestehe zu 60 Prozent aus Daten, die Allgemeingut seien, eben bloße Fakten, die nicht dem Urheberrecht unterliegen. Bleibt zu hoffen, dass der Autor sein Honorar als Allgemeingut sieht, das Wikipedia erhalten kann.

*** Apropos Honorar: In dieser Woche ist Larry Ellison, fünftreichster Mensch der Welt, dafür gescholten worden, 77 Millionen US-Dollar im Jahr zu verdienen. Ellisons Karriere begann 1977 mit dem Verkauf einer Datenbank an die CIA. Nach "9/11" veröffentlichte Ellison einen von ihm bezahlten Kommentar im Wall Street Journal, in dem er als Reaktion auf die Terroranschläge eine Ausweispflicht forderte und eine zentrale Datenbank aller Ausländer. Wie ich ich damals schrieb, ist für Ellison die Privatsphäre eine Illusion, von der man sich befreien sollte:

Es ist an der Zeit, alle Datenbanken der Regierung, die der Sozialversicherungsbehörde und die der Strafverfolgungsbehörden in einer nationalen Zentraldatenbank zusammenzuführen. Diese wird von der Regierung verwaltet und betrieben. Oracle wird die Software dafür bereitstellen. Kostenlos.

Bekanntlich hat Glenn Greenwald sein Buch über die NSA vorgestellt, in dem Oracle zusammen mit Firmen wie Microsoft und Intel als strategische Partner auf einem Screenshot auftauchen.

*** In einem Buch über den Segler Larry Ellison findet sich eine längere Passage, in der er sich mit Steve Jobs über den bedeutendsten Menschen der Weltgeschichte unterhält. Jobs nannte Gandhi und seinen gewaltlosen Widerstand, was Ellison gar nicht witzig fand. Für ihn war Napoleon der Größte:

Napoleon hat das moderne öffentliche Bildungswesen erfunden, öffentliche Museen und das moderne Rechtssystem. Und er hat die staatlich geförderte religiöse Diskriminierung beendet, die Ghettos geräumt und den Juden Gleichheit vor dem Gesetz gegeben. Napoleon hat Angriffskriege geführt, um Könige und Tyrannen zu stürzen. Er hatte keine andere Wahl. Sie konnten nicht dazu überredet werden, vom Thron zu steigen.

Manchmal, aber nur manchmal hat auch Amerika keine andere Wahl, heißt es später in dem Buch. Auf Platz zwei in der Rangliste großer Menschen platzierte Ellison übrigens Winston Churchill, während Steve Jobs ein französisches Doppel nominierte: Alexandre Gustave Eiffel und Arthur Rimbaud.

*** Sicher hatte die internationale Fernmeldeunion ITU die Wahl, aber dass sie Paul Kagame, Park Geun-hye und Carlos Slim in diesem Jahr mit dem "World Telecommunication and Information Society Award" auszeichnete, ist ein schlechter Witz. Gelobt werden die drei für ihr Engagement beim Breitbandausbau für eine nachhaltige Gesellschaft. Dass einem Präsidenten, der mit einer Demokratie in Ruanda wenig am Hut hat, einer Präsidentin, die in Südkorea einen Putsch befürwortete, und einem Unternehmer, der ein Drittweltland wie Mexiko ausblutete, die Preise verliehen werden, sagt viel über die ach so freie Informationsgesellschaft aus. Was soll's, der nächste ITU-Kongress findet ja in Bahrain statt.

Was wird.

Verhandlungen? Verhandlungen? Da war doch was? Am Montag beginnt die fünfte Verhandlungsrunde über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA im US-amerikanischen Arlington. Es fängt an mit den Interessensbekundungen der "Stakeholders" wie etwa der allseits beliebten Business Software Alliance, diesmal vertreten durch die "Copyright-Zarin" Victoria Espinel. Dieser Teil ist öffentlich. Danach dürfen die Stakeholders den Chef-Unterhändlern Ignacio Garcia Bercero (EU) und Dan Mullaney (USA) unter Ausschluss der Öffentlichkeit Fragen stellen. Anschließend gibt es eine Pressekonferenz. Der Schlag gegen den Rechtsstaat will schließlich ins rechte Licht gerückt werden. Am Ende fliegen sogar putzmuntere Chlorhühnchen eine Runde über Journalistenköpfen.

Ach nein, das verwechsele ich wohl mit der Berlin Air Show ILA. Da gibt es unter dem neckischen Namen "Games of Drones" ein Quadcopter-Geschicklichkeitsfliegen für Journalisten. Wo das mit dem Copter doch das absolute nonplusultraliche Muss ist für den podstreamkrautcastenden Journalisten. Dazu als Musike ordentlicher Krautrock auf die Ohren nach dem Vorbild der Hubschrauber in "Apocalypse Now". Da die Crowd bei n größer als zwei beginnt, frage ich gleich mal meine tapferen und richtig rechnenden Leser nach den besten Krautrockstücken für die Sommerhit-Parade. (ps)