Trend auf dem Pkw-Markt: Renaissance der Vollhybride

Fossile Kraftstoffe sind teuer, Elektroautos auch und zudem oftmals nur nach langer Wartezeit zu bekommen. Sind Vollhybride ein Ausweg?

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Toyota Corolla Cross

Toyota verbaut seit geraumer Zeit einen leistungsverzweigten Hybridantrieb. Der Verbrennungsmotor ist über ein elektronisch gesteuertes Planetengetriebe („e-CVT“) mit zwei Elektromotoren verbunden. Das erlaubt eine weitgehend beliebige Steuerung. Das Hybridsystem von Toyota ist in unseren Praxistests immer durch besonders niedrige Verbrauchswerte aufgefallen. Nirgends ist es so mühelos, Kraftstoff zu sparen.

(Bild: Toyota)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Effizienz statt Spitzenleistung: Hybridautos, die auf maximale Sparsamkeit im täglichen Gebrauch ausgelegt sind, könnten unerwartet eine erfolgreiche Zukunft vor sich haben. Denn Benzin und Diesel sind seit Anfang des Jahres nochmals erheblich teurer geworden. Wer auf ein Elektroauto umsteigen möchte, um der Preistreiberei an den Tankstellen zu entgehen, muss sich auf lange Lieferzeiten einstellen. Chipkrise, Batteriezellenmangel und ein knappes Neuwagenangebot insgesamt sind die wesentlichen Ursachen dafür. Die Chancen, dass Autos mit vergleichsweise geringem Realverbrauch unter Neuwagen-Interessenten wieder eine höhere Aufmerksamkeit bekommen, stehen deshalb gar nicht schlecht. Angebote in dieser Richtung machen vor allem asiatische Hersteller. Im Deutschen werden sie Vollhybride genannt, die englische Abkürzung ist HEV für Hybrid Electric Vehicle.

Mit diesen Antrieben können sehr kurze Strecken rein elektrisch zurückgelegt werden, sie haben aber in Abgrenzung zu Plug-in-Hybriden (PHEV) nur eine kleine Pufferbatterie und keine externe Lademöglichkeit. Ein elektrisches Fahren ist bei diesen Hybriden also Nebensache. Das Ziel der Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor ist ein niedriger Benzinverbrauch und nachfolgend geringe CO₂-Emissionen. Klassiker dieser Bauart ist der Hybrid Synergy Drive (HSD) von Toyota, den es seit 1997 gibt. Jetzt kommen Konkurrenten von Nissan (e-Power) und Honda (e:HEV) auf den europäischen Markt.

1997 kam in Japan die erste Generation des Prius mit Hybridantrieb auf den Markt. Die Idee blieb im Kern gleich: Der Verbrennungsmotor sollte so oft es geht im Bereich seines besten Wirkungsgrades betrieben werden.

(Bild: Toyota)

Dass die mittelfristige Verkaufsprognose für HEV positiv erscheint, hat Gründe: Nahezu alle Hersteller haben wegen der durch die Covid-Pandemie ausgelösten Chipkrise gestörte Lieferketten. Ein beliebtes Mittel, um wenigstens die Margen zu sichern, ist die vorübergehende Streichung von Basismodellen. Den VW ID.3 mit 45 kWh Energiegehalt gibt es praktisch nicht. Zusätzlich sind Elektroautos (abgekürzt BEV für Battery Electric Vehicle) drastisch teurer geworden. Teslas Model 3 und Fords Mustang Mach-e sind repräsentative Beispiele. Die Autoindustrie reagiert damit auf die hohe Nachfrage. Allerdings gibt es einen zweiten Faktor, der laut Branchenkreisen nicht unterschätzt werden darf: Nach einem Jahrzehnt des Preisverfalls bei Batteriezellen ist neuerdings ein leichter Anstieg feststellbar. Eine Ursache dafür sind die stark gestiegenen Rohstoffpreise. So kostet Lithium heute mehr als viermal(!) so viel wie vor einem Jahr.

Zeitgleich ist der Boom der Plug-in-Hybride gefährdet, weil der Bundeswirtschaftsminister das Aus der Direktförderung namens "Innovationsprämie" in Aussicht stellt. PHEV wären marktgängig, so Robert Habeck von den Grünen. Noch ist die Streichung zum Jahresende nicht beschlossen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das passiert. Sollte jetzt noch die Halbierung der Dienstwagensteuer fallen oder eine Überprüfung der elektrischen Nutzung kommen, könnte das den Trend zum Plug-in-Hybrid stoppen.

Plug-in-Hybride

Angesichts der hervorragenden Geschäfte, die die Autoindustrie in den vergangenen Jahren mit diesen Modellen gemacht hat, wäre es ein harter Schlag für die Konzerne. Allerdings liegt der Energieverbrauch in der Praxis zu hoch, gerade wenn man den Stromkonsum in die Rechnung mit einbezieht. Das Zeitalter der Plug-in-Hybride muss dennoch nicht zwangsläufig vorbei sein, doch es wird kein subventionsgetriebener Selbstläufer mehr. Die Hersteller müssen diese Autos mit mehr Reichweite und schnelleren Lademöglichkeiten attraktiver als bisher machen.

Die Autoindustrie ist in der Pflicht, die CO₂-Flottengrenzwerte einzuhalten. Weil die Masse der neu zugelassenen Pkw einen Verbrennungsmotor hat, bleibt nur die Reduktion des Verbrauchs und den damit direkt korrelierenden CO₂-Emissionen. Der Dieselmotor rechnet sich nur in großen Fahrzeugen, in Kleinwagen ist er weitgehend Geschichte. Wenn in den Sommermonaten die Energiesteuer für Dieselkraftstoff um nur 14 Cent pro Liter und jene für Superbenzin um 30 Cent gesenkt wird, dürfte das auch einen psychologischen Effekt haben, der vom Selbstzünder wegführt. Profiteure dieser Gemengelage könnten die sparsamen Hybridautos sein – und die kommen vorwiegend aus Japan. Sie gehen unterschiedliche technische Wege in der Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor.

Nissan hat die nächste Generation des Qashqai vorgestellt. Er ist ab Spätsommer unter der in Japan schon länger bekannten Typenbezeichnung e-Power erhältlich. Nissan nutzt ein serielles Hybridsystem. Das heißt, dass ein 140 kW starker Elektromotor die Vorderräder antreibt. Seine Energie bezieht er aus einem Generator, der von einem Dreizylinder-Turbomotor mit 1,5 Litern Hubraum bewegt wird. Die Besonderheit des Dreizylinders: Er hat einen variablen Kolbenhub, der das Verdichtungsverhältnis von 8 zu 1 auf 14 zu 1 verändern kann.

Endlich bringt Nissan den in Japan bekannten Hybrid namens e-Power auf den deutschen Markt. Es ist ein serieller Hybrid, das heißt, dass der Verbrennungsmotor (hier ein Dreizylinder-Turbomotor mit 1,5 Litern Hubraum) ausschließlich einen Generator antreibt. Der wiederum liefert Strom für den 140 kW starken Elektromotor, der auf die Vorderräder wirkt. Vorteil eines solchen seriellen Hybrids ist der simple Aufbau und die relativ niedrigen Kosten. Bei hohen Autobahn-Geschwindigkeiten dürfte es mit der Sparsamkeit allerdings vorbei sein.

(Bild: Nissan)

Es gibt beim seriellen Hybrid keine mechanische Verbindung zwischen Verbrennungs- und Elektromotor. Der Dreizylinder lädt über den Generator und den Wechselrichter entweder die Batterie oder er treibt den Elektromotor an oder er tut beides. Natürlich soll er so oft wie möglich abgeschaltet sein, wenn zum Beispiel durch die Bremsenergierückgewinnung ("Rekuperation") genug Strom in der Pufferbatterie gespeichert ist.

Der Vorteil eines solchen Aufbaus ist, dass er relativ kostengünstig ist und dem Fahrer ein elektrisches Fahrgefühl vermittelt, das emotional zum Elektroauto hinführt. Der Verkaufspreis des Nissan Qashqai e-Power ist noch nicht bekannt. Ein wahrscheinlicher Nachteil dieses Hybridsystems dürfte die mangelhafte Effizienz bei höheren Geschwindigkeiten sein. Hier wäre eine direkte mechanische Verbindung vom Verbrenner auf die Antriebsräder effizienter. Global betrachtet spielt tatsächlich hohes Tempo natürlich keine Rolle, denn fast überall auf der Welt ist die erlaubte Spitzengeschwindigkeit bei höchstens 130 km/h festgelegt.

Ein über weite Tempobereiche serieller Hybrid wird bei Honda unter dem Label e:HEV verkauft. Es ist zum Beispiel im HR-V und im Jazz erhältlich. Ab Herbst steht die elfte Generation des Civic bei den Händlern und ist ausschließlich als e:HEV zu haben. Der Civic hat einen Vierzylinder-Saugmotor mit zwei Litern Hubraum, Direkteinspritzung und Atkinson-Zyklus, also einer verlängerten Öffnung des Einlassventils. Der elektrische Primärantrieb leistet 135 kW, und ähnlich wie bei Nissan und auch bei Toyota gibt es einen zweiten Elektromotor, der als Generator arbeitet.

Der neue Honda Civic ist ab Herbst ausschließlich mit einem hybriden Antriebsstrang erhältlich: Bei niedrigen Geschwindigkeiten bewegt der Vierzylinder-Ottomotor mit Atkinson-Zyklus einen Generator, der entweder den Elektromotor antreibt oder die Batterie lädt oder beides. Es gibt in diesem Modus keine mechanische Verbindung („serieller Hybrid“). Bei höheren Tempi schließt eine Kupplung die Kraft direkt durch; ungefähr so, als hätte der Civic einzig einen sechsten Gang. Das ist effizienter.

(Bild: Honda)

Vereinfacht gesagt kann der Honda-Hybrid sowohl seriell arbeiten wie der von Nissan, aber auch über eine Kupplung den Verbrennungs- mit dem Elektromotor verbinden. So, als würde es einen sechsten Gang geben. Das ist bei erhöhten Tempo zwischen rund 80 bis 130 km/h am effizientesten. In der Stadt soll der Honda Civic bis zu 90 Prozent rein elektrisch fahren können. Darüber und bei sehr hohen Geschwindigkeiten ist der serielle Hybridmodus aktiv. Wer sich näher für die Funktionsweise des Honda e:HEV interessiert, kann in diesem Video tiefer eintauchen.

Er könnte damit eine Alternative zum windschlüpfigen Toyota Prius sein, den es in Deutschland nur noch als Plug-in-Hybrid gibt. Beim größten Autokonzern der Welt wird der Hybridantrieb gewissermaßen zum Standard. Er ist in den meisten Pkw-Baureihen erhältlich und hat dort bei den Motorvarianten einen sehr hohen Anteil. Der Toyota-Hybrid ist das Sinnbild des sparsamen Autos mit Verbrennungsmotor, wenn man auch nüchtern feststellen muss, dass SUVs wie der kommende Corolla Cross sich mutmaßlich äußerst gut verkaufen werden, aber nicht so genügsam sein können wie einst der Prius.

Ab Herbst ist die vierte Generation des HSD im Corolla Cross erhältlich. Dieses SUV kann naturgemäß nicht so sparsam sein wie der Prius. Den wiederum gibt es in Deutschland nur noch als Plug-in-Hybrid.

(Bild: Toyota)

Toyota nutzt ein leistungsverzweigtes Hybridsystem. Der Verbrennungsmotor und zwei Elektromotoren sind über ein elektronisch geregeltes Planetengetriebe ("e-CVT") verbunden und nahezu beliebig in Drehzahl und Koppelung steuerbar. Die Stärke liegt im niedrigsten uns bekannten Verbrauch, und auch die langfristige Zuverlässigkeit des Antriebs inklusive der Pufferbatterie ist legendär. Bis heute irritiert aber die gezielte Anhebung der Motordrehzahl beim Beschleunigen zur Lastpunktverschiebung. Trotzdem ist die Entscheidung für die meisten Käufer eindeutig: Wenn Toyota, dann Hybrid.

Die Kombination aus sinkender Staatsförderung für BEV und PHEV bei gleichzeitig steigenden Kraftstoffpreisen könnte zu einer Stärkung von sparsamen Vollhybriden führen. Japanischen Marken wie Honda, Nissan und Toyota sind hier besonders gut aufgestellt. Entscheidend für den Antriebsmix bis zum Ende dieses Jahrzehnts bleibt die Frage, wie schnell und wie stark die Kosten für Traktionsbatterien in Elektroautos sinken können. Wahrscheinlich werden nickel- und kobaltfreie LFP-Zellen ab 2025 auch im deutschen Markt zu einer Preisdämpfung bei Elektroautos führen. Der Mechanismus der CO₂-Flottengrenzwerte in der Europäischen Union bleibt in Kraft. Er ist der große Treiber im Hintergrund.

(mfz)