Gehirntraining gegen Schmerzen

Ein bildgebendes Verfahren ermöglicht es Patienten, mit chronischen Schmerzen besser umzugehen.

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Von
  • Emily Singer
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Die meisten Menschen nehmen einfach eine Tablette, wenn sie Kopfschmerzen haben. Doch wie wäre es, wenn man den Schmerz schlicht wegdenken könnte? Forscher an der Stanford University nutzen ein bildgebendes Verfahren, das es Patienten erlaubt, Schmerzen zu kontrollieren. Die neue Technologie ist bislang noch nicht bereit für den Einsatz in der Klinik, könnte sich später aber auch zur Behandlung anderer Störungen wie Depression, Angstattacken oder Legasthenie eignen.

"Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass Patienten bestimmte Regionen ihres Gehirns kontrollieren können, um damit Schmerzen unter Kontrolle zu bringen", sagt Sean Mackey, Associate Director in der Schmerzforschungsabteilung an der Stanford University, der das Projekt wissenschaftlich leitet.

Mackey und seine Kollegen nutzen die so genannte funktionale Echtzeit-Kernspintomographie (kurz rtfMRI), bei der sowohl Patienten als auch Forscher die Gehirnaktivitäten des zu Untersuchenden beobachten können – noch während er denkt. In diesem Fall wird eine Darstellung des Gehirnbereiches, der in die Schmerzverarbeitung eingebunden ist, in den Tomographen gesendet, in dem der Patient liegt. Er kann dann dort die Aktivitäten seines eigenen Gehirnes beobachten und sie mit mentalen Übungen zu reduzieren versuchen – beispielsweise indem er sich einen Teil des Körpers vorstellt, der schmerzfrei ist. Der Prozess ähnelt dem so genannten Biofeedback, bei dem man lernen kann, Blutdruck und Herzfrequenz zu kontrollieren, indem man seine eigenen Vitaldaten beobachtet.

Acht Patienten mit chronischen Schmerzen, die sich mit konventionellen Methoden nur schwer kontrollieren lassen, erreichten bei dem Versuch eine Schmerzabnahme zwischen 44 und 64 Prozent – ein Rückgang, der dreimal so groß war wie bei einer Kontrollgruppe. Diejenigen, die die größte Kontrolle über ihre Gehirnaktivitäten erreichten, zeigten auch die größte Schmerzreduktion. Das Ergebnis der Studie wurde in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" publiziert.

"Ich bin gespannt, ob sich diese Ergebnisse bei einer größeren Patientenzahl nachvollziehen lassen", meint der Neurologe und Schmerzforscher Richard Gracely von der medizinischen Fakultät an der University of Michigan. "Die Methode könnte sich im Klinikbereich als sehr viel versprechend erweisen – besonders dort, wo es keine anderen wirksamen Methoden mehr gibt, Schmerzen zu reduzieren."

Mackey und sein Kollege Christopher deCharms von der Firma Omneuron aus Menlo Park in Kalifornien führen nun Langzeittests durch, um herauszufinden, ob das neue Therapieverfahren tatsächlich als Alternative zu Medikamenten oder chirurgischen Eingriffen dienen kann. Bislang sei es aber noch nicht für die Praxis geeignet – die Forscher wissen noch nicht, wie lange der Effekt anhält. Außerdem erlernten einige Patienten die Technik leichter als andere.

"Es ist kein Ansatz, der sich für jeden eignet. Die Patienten müssen motiviert sein, und das ist nicht bei allen Schmerzpatienten der Fall", meint deCharms. "Wenn man es aber schafft, den Schmerz konstant um 50 Prozent zu reduzieren, würde dass das Leben eines Menschen mit chronischen Schmerzen stark verändern."