Erleuchtetes Silizium

Optische Datennetze brauchen heute noch große Geräteschränke mit anspruchsvollen Komponenten.

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"Innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden wir mit Terabits von Informationen kommunizieren", sagt Mario Paniccia, "ein integrierter Chip, der ein Terabit an Daten pro Sekunde übertragen kann, wäre genau die richtige Lösung dafür. Und wir sprechen über einen Chip, der nur so groß ist wie meine Fingernägel." Auf der Handfläche des Direktors im Intel-Labor für Photonik im kalifornischen Santa Clara liegen drei Siliziumchips, die das Herz einer solchen Lösung bilden sollen – kleine Quadrate mit spiegelnder Oberfläche.

Photonik, die Datenübertragung mithilfe von Licht, ist eine Schlüsseltechnologie für Netzwerke mit extrem hohen Übertragungsraten von einem Terabit pro Sekunde und mehr. Und obwohl Silizium sonst einer der Grundbausteine der gesamten Elektronik-Industrie ist, spielt es auf diesem Gebiet bislang kaum eine Rolle. Paniccia und seine Kollegen wollen das ändern: "Was wir jetzt machen können, ist das, was auch Cisco und Co. tun", sagt Paniccia, "aber die brauchen dafür 19-Zoll-Schränke. Wenn wir mit Silizium 90 Prozent der Performance für einen Bruchteil der Kosten hinbekommen, können wir daraus einen Massenmarkt machen."

Doch das Rennen ist noch nicht entschieden. Zurzeit setzen die ersten Telekommunikationsanbieter Modulatoren – Bausteine, die elektrische Signale in Lichtsignale umwandeln – aus exotischen Halbleitern wie Indiumphosphid ein, die 40 Gigabit pro Sekunde übertragen. Und diese Technologie ist noch lange nicht ausgereizt: 2004 brachte Infinera den ersten hoch integrierten photonischen Chip aus Indiumphosphid mit 50 nanooptischen Komponenten auf den Markt – zuvor hatten andere Hersteller höchstens eine Handvoll Komponenten auf einem Chip untergebracht. Schon das erste Infinera-Bauteil war in der Lage, Daten mit einer Geschwindigkeit von 100 Gigabit pro Sekunde zu übertragen. Anfang dieses Jahres hatte das Unternehmen dann einen 400-Gigabit-Chip demonstriert. Ein 1,6-Terabit-Modell, der derzeit schnellste optische Chip der Welt, befindet sich in der Entwicklung.

"Die elektronischen Chips, die Intel bisher baut, bestehen nur aus Silizium. In der Optik muss man aber verschiedenste Halbleiter verwenden", sagt David Welch, Mitgründer von Infinera. Optische Elemente sind zudem in der Regel dreidimensionale Strukturen, die sehr viel aufwendiger zu fertigen sind als einfache Transistoren. Um die Laser, Detektoren, Modulatoren und andere Komponenten herzustellen, müssen wiederholt Schichten verschiedenster Halbleiter wie Indiumarsenid oder Indiumphosphid aufgebracht und selektiv geätzt werden. Über die Einzelheiten der Fertigung will Infinera nichts verraten. Das Unternehmen hält laut Welch allerdings Patente, die entscheidende Elemente der Technologie sichern.

Doch Intel lässt sich davon nicht entmutigen. 2004 zeigte Paniccias Arbeitsgruppe, dass sich auch aus Silizium Modulatoren bauen lassen, die eine Datenrate von einem Gigabit pro Sekunde erreichten. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil es eigentlich gar nicht funktionieren dürfte: Silizium ist ein sogenannter indirekter Halbleiter. Bei dem dauert es relativ lange, bis Ladungsträger miteinander rekombinieren und dabei Photonen aussenden – normalerweise zu lang für einen effizienten Laserbetrieb, weil die Energie der Ladungsträger inzwischen in andere, nicht strahlende Prozesse wandert. Trotzdem konnten die Intel-Forscher schon ein Jahr später nicht nur einen Modulator mit zehn Gigabit pro Sekunde vorweisen, sondern auch den weltweit ersten Siliziumlaser (siehe TR-Heft 05/05).

Das Ziel der Entwicklung ist ein integrierter Siliziumchip, der 25 Laser, Modulatoren und Detektoren enthält – alles, was notwendig ist, um elektronische Signale in Licht zu wandeln, sie mit einem Terabit pro Sekunde zu senden, gesendete optische Daten zu empfangen und sie wieder in elektronische Signale umzusetzen. Ein solcher Chip, sagt Paniccia, hätte Auswirkungen in vielen Bereichen: Er würde nicht nur die verfügbaren Internet-Bandbreiten vervielfachen, sondern auch neue optische Schnittstellen für den Datenaustausch zwischen mobilen Geräten und PCs ermöglichen. Auch die Computer selbst könnten erheblich schneller werden, wenn die Datenübertragung zwischen dem Prozessor und dem Arbeitsspeicher, die jetzt noch über vergleichsweise langsame Kupferleitungen erfolgt, durch Lichtsignale ersetzt würde.