"Cyberpunk 2077" in der Technikanalyse: Tolle Grafik mit Abzügen in der B-Note

Entwicklerstudio CD Projekt hat mit "Night City" in "Cyberpunk 2077" eine der ansehnlichsten Spielewelten gebaut. Vor allem die Atmosphäre weiß zu gefallen.

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(Bild: CD Projekt / Screenshot: heise online)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Nach mehreren Verschiebungen ist das Action-Rollenspiel "Cyberpunk 2077" seit dem 10. Dezember verfügbar. Das polnische Entwicklerstudio CD Projekt wagt sich damit an ein neues Franchise, nachdem die "Witcher"-Serie drei erfolgreiche Titel hervorbrachte.

In "Cyberpunk 2077" kommt erneut die hauseigene Red Engine zum Einsatz, allerdings in einer weiterentwickelten Version: CD Projekt hat bei der PC-Version die 3D-API von DirectX 11 auf DirectX 12 umgestellt. Das geht mit einer verbesserten Prozessorauslastung, aber auch neuen Grafikeffekten über DirectX Raytracing (DXR) einher – vorerst ausschließlich im Zusammenspiel mit GeForce-RTX-Grafikkarten. Auch ohne Raytracing bekommen Spieler aber Schmankerl wie eine globale Beleuchtung. heise online hat sich die PC-Version von "Cyberpunk 2077" genauer angeschaut.

Statt große Teile der Beleuchtung wie im Action-Rollenspiel "The Witcher 3" "vorzubacken", also beim Start vorab zu rendern, setzt CD Projekt bei "Cyberpunk 2077" auf eine sogenannte globale Beleuchtung (Global Illumination) mit dynamischen Tag-Nacht-Zyklen. Folglich werfen Objekte Schatten, die dem jeweiligen Sonnenstand angemessen sind.

Mit der Raytracing-Einstellung "Psycho" gehen die Entwickler einen Schritt weiter und lassen die globale Beleuchtung mithilfe von virtuellen Lichtstrahlen berechnen. Das gilt allerdings nur für die Sonne, denn für vollumfassendes Raytracing fehlt schlichtweg die Grafikleistung. Bei lokalen Lichtquellen kommen zu großen Teilen dynamische Cube- und Shadow-Maps zum Einsatz, die beispielsweise bei vorbeilaufenden Spielfiguren für Schattenwurf sorgen. Schaltet man Raytracing hinzu, laufen die Schatten realistisch weich aus.

Zudem beeinflusst Raytracing-Streulicht, beispielsweise von den zahlreichen Werbetafeln, die Farbgebung umliegender Oberflächen. Auch ohne Raytracing erhellen Lampen und Anzeigetafeln den häufig anzutreffenden Dampf und Dunst. Ebenfalls dabei: eine Raytracing-Umgebungsverdeckung (Ambient Occlusion, AO), welche für die Eigenverschattung von Objekten zuständig ist, zum Beispiel bei Kanten, und etwas akkurater funktioniert als bei der Variante ohne Raytracing.

Die Beleuchtung in "Cyberpunk 2077" sieht gut aus, egal ob man Raytracing-Grafikeffekte aktiviert oder nicht. Auch ohne die virtuellen Strahlen hat sich CD Projekt viel Mühe gegeben, einer realistischen Darstellung nahezukommen. Folglich fällt der Unterschied zwischen komplett rasterisierter Grafik und Raytracing nicht sofort ins Auge: Die Technik verbessert Details, die vor allem im direkten Vergleich bemerkbar sind.

Etwas schicker mit Raytracing sind spiegelnde Oberflächen wie Fensterscheiben und Pfützen, die Objekte zeigen, die sich nicht im Sichtfeld des Spielers befinden – ohne Raytracing werden diese komplett ausgeblendet (Screen Space Reflections). Gebäudeschatten weisen ohne Raytracing harte Ränder auf dem Boden auf, mit Raytracing sind diese weich. Subtil ist zudem die Raytracing-Global-Illumination: Sie beeinflusst die Farbgebung von Gebieten im Halbschatten, etwa von Straßen in Häuserschluchten oder unter Brücken.

Die nachfolgenden Screenshots sind mit fast maximalen Grafikdetails bei aktiviertem DLSS (Qualität) entstanden. Lediglich die Post-Processing-Filter sind ausgeschaltet, da sie das Bild unscharf machen.

Vergleich "Cyberpunk 2077" mit und ohne Raytracing (31 Bilder)

Maximale Raytracing-Grafikeffekte in "Cyberpunk 2077". Zu sehen: akurrate Reflexionen (1), weiche Schatten (2) und durch Streulicht der Sonne beeinflusste Farben (3).
(Bild: CD Projekt / Screenshot: heise online)

Die Raytracing-Grafikeffekte in "Cyberpunk 2077" sind am ehesten für Spieler interessant, die eine flotte RTX-Grafikkarte einsetzen. Unser Testsystem bestehend aus Ryzen 7 3700X, 32 GByte DDR4-3600-RAM und GeForce RTX 3090 schafft mit maximierter Grafik in WQHD (2560 × 1440 Pixel) in fordernden Szenen rund 30 bis 45 Bilder pro Sekunde (frames per second, fps). Ohne Raytracing sind die fps fast doppelt so hoch.

Wer eine Mittelklasse-Grafikkarte aus der alten 2000er-Generation nutzt, sollte die Raytracing-Grafikeffekte entweder reduzieren oder zur Erhöhung der fps komplett abschalten. Zudem hat CD Projekt sinnvolle Presets mit verringerten Details angelegt. Zusätzlich hilft der KI-Upscaler Deep Learning Super Sampling-Technologie (DLSS), der die Render-Auflösung reduziert. In der Einstellung "Qualität" fällt pro Achse ein Drittel der Pixel weg, ohne dass die Bildqualität merklich einbricht. In unserem Beispiel stieg die Bildrate dafür auf mehr als 60 fps.

CPU-seitig nutzt "Cyberpunk 2077" acht Rechenkerne und mehr. Im Falle von AMDs Ryzen-Prozessoren werden physische Kerne stark bevorzugt; logische Threads durch Simultaneous Multithreading (SMT) kommen kaum zum Einsatz. Nutzerberichte legen nahe, dass Code-Altlast in AMDs Compiler aus Bulldozer-Zeiten schuld sein könnte. Mit Intels Zehnkerner Core i9-10900K werden alle 20 Threads gleichmäßig ausgelastet; durch eine Hex-Anpassung in der Spiele-Exe lässt sich das Verhalten auch mit Ryzen-Prozessoren erzwingen.

CPU-Auslastung durch "Cyberpunk 2077"; logische Threads nutzt das Spiel bei Ryzen-Prozessoren kaum.

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Bei den Schatten hapert es noch an einigen Stellen. Objekten wie Stühlen in Zimmern fehlt immer wieder jegliche Schattierung, ebenso erzeugen einige Leuchtmittel generell keine Schatten. Im Falle von Fahrzeugen ist das gewollt und bei Spielen gängige Praxis: Fremde Autos und Motorräder erleuchten in der Nacht zwar die Straße vor sich, Gegenstände vor der Front erzeugen aber keine Schatten. Immerhin: Fährt man selbst, sorgen die eigenen Scheinwerfer für Schattenwurf – seien es Menschen auf dem Gehweg, Pfeiler oder Laternen.

Die Wandbeleuchtung an der Bar erzeugt Schattenwurf, die Leuchtröhre unten am Tresen nicht.

(Bild: CD Projekt / Screenshot: heise online)

Wahre Wundertüten stellen Spiegel dar: Manchmal ist der eigene Charakter wie erwartet zu sehen, manchmal stellen Spiegel nur Pixelmatsch dar und manchmal taucht die eigene Spielfigur ohne jegliche Bekleidung auf – überaus detailgetreu.

Beispiel für einen Spiegel, der zunächst akkurate Reflexionen zeigte, später aber nur noch Pixelmatsch.

(Bild: CD Projekt / Screenshot: heise online)

Das sogenannte LOD sorgt für Detailabstufungen, die sich nach der Entfernung zwischen Objekt und Spieler richtet, um Rechenleistung und Speicher zu sparen. In "Cyberpunk 2077" ist das System auch auf der höchsten Einstellung recht aggressiv, was sich bei den Details von Gebäuden und der Verschattung bemerkbar macht: Umherlaufende Spielfiguren werfen schon ab einigen (virtuellen) Metern Entfernung keine Schatten mehr, die Texturen von Gebäuden im Hintergrund wirken häufig wenig detailliert.

Beispiel für Schatten, die erst vom Nahen zu sehen sind.

(Bild: CD Projekt / Screenshot: heise online)

Der Ton knistert gerne, wenn Musik läuft – nicht bei allen Spielern, bei uns aber durchgehend. Dafür funktioniert das "3D"-System sehr gut: Soundquellen lassen sich sehr gut orten, auch ohne Surround-Sound-Kopfhörer.