Elektroauto: Erste Eindrücke aus dem Mercedes-Benz G 580 EQ im Gelände

Mit der Neuauflage der G-Klasse gibt es nun auch eine vollelektrische Version des Geländewagens. Einige erste Fahreindrücke aus dem Mercedes G 580 EQ.

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Mercedes G 580 EQ

(Bild: Mercedes-Benz)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jürgen Wolff
Inhaltsverzeichnis

Aufgeweichter Untergrund mit reichlich Schlamm und Wasser in Pfützen und Senken, schlüpfrige Felsen an jeder Steigung. Genau richtig, um den elektrisch angetriebenen Offroader einmal artgerecht einzusetzen.

Die G-Klasse ist eine automobile Ikone – seit 1979 wird sie zumindest optisch nahezu unverändert gebaut. Seither sind über eine halbe Million Stück verkauft worden. Verändert haben sich im Lauf der Jahrzehnte vor allem Technik und Interieur. Wer in eines der frühen Modelle steigt, erlebt innen lackiertes Blech, eine hakelige 4-Gang-Schaltung, einen nach heutigen Maßstäben gefühlt fast drehmomentfreien Motor und einen Geräuschpegel, der die Frage aufwirft, wozu überhaupt ein Radio eingebaut wurde. Heute gibt es kraftvolle Motoren, weiche Polster sowie High-End-Audio.

Interieur eines frühen G-Modells. Das Cockpit stammt aus dem Nutzfahrzeug Mercedes 207, die Mittelkonsole mit Handbremshebel, Schalt- und Übersetzungshebel sowie den beiden charakteristischen Zug-Kipp-Köpfen für die beiden Sperren war immerhin mit Plastik verkleidet, Teppiche gab es aber noch keine. Luxus waren die Stoffbezüge der Sitze. Der Vierzylinder-Diesel mit 2,4 Litern Hubraum ermöglichte dank 53 kW (72 PS) an einem Viergang-Getriebe eine Höchstgeschwindigkeit 117 km/h.

(Bild: Mercedes-Benz)

Ein paar technische Grundelemente sind der neuen G-Klasse aber geblieben. Der Leiterrahmen aus vier Millimeter dickem Stahlblech etwa. Heute fährt die G-Klasse allerdings mit einer vorderen Einzelradaufhängung statt der, auch wenn’s komisch klingt, beweglicheren Starrachse. So eine gibt es nur noch hinten, auch beim elektrischen G.

Zwischen den beiden Längsträgern des Rahmens sind die Lithium-Ionen-Hochvoltakkus eingepasst. Sie stammen vom Mercedes-Benz EQS und bringen es mit 216 Zellen und zwölf Modulen auf 116 kWh Speicherleistung. Weil sie allerdings in die G-Klasse so nicht gepasst hätten, hat man sie gestapelt: eine Lage Kühlung, eine Lage Akkus, wieder eine Lage Kühlung, dann noch mal Akkus und obendrauf nochmal eine Lage Kühlung. Das ganze massiv und verwindungssteif ummantelt, unten eingepackt in eine 26 mm dicke Schale aus einem Materialmix mit Carbon-Anteilen. Damit, verspricht Mercedes, kann der Unterboden selbst auf einen massiven Fels krachen, ohne dass den Akkus was passiert. Die Instruktoren waren angewiesen, das im Gelände auch vorzuführen.

So liegt der Schwerpunkt niedrig, gut für die Fahrsicherheit und auch für eine gute mögliche Seitenneigung: Das Auto bleibt stabil bis zu einem Neigungswinkel von 35 Grad. Die Steigfähigkeit liegt – bei entsprechendem Untergrund – bei 100 Prozent. Im Idealfall, so Mercedes, lassen sich die Akkus in gut 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen. Sie bieten eine offizielle Reichweite von 473 Kilometer bei einem laut WLTP kombinierten Energieverbrauch von 30,4 bis 27,7 kWh je 100 Kilometer.

Mercedes G 580 EQ (15 Bilder)

Nur wer genau hinschaut, erkennt aus dieser Perspektive die elektrische Version der G-Klasse.
(Bild: Mercedes-Benz)

Die Räder der elektrischen G-Klasse werden jeweils von einem eigenen Motor angetrieben. Die vier Motoren sind im Leiterrahmen integriert und sitzen zu zweit jeweils in einem Gehäuse an der Vorder- und Hinterachse. Zusammen kommen sie auf eine Leistung von 432 kW. Das Drehmoment beziffert Mercedes-Benz auf 1164 Nm. An der Kraft scheitert es also nicht beim Vorankommen und das Konzept der separat angetriebenen und ansteuerbaren Räder bietet vor allem im Gelände immense Vorteile. So lässt sich zum Beispiel je nach Untergrund und Schlupf jedes Rad elektronisch einzeln regeln – ideal zum Beispiel, wenn bei steinigen Aufstiegen oder im Schlamm einige Räder mehr, andere dafür weniger Kraft übertragen können. Zwischen den Achsen gibt Mercedes die Bodenfreiheit mit mindestens 250 mm an.

Außerdem ermöglicht es bisher ungeahnte Fahrmanöver. Vor einer Spitzkehre etwa genügt der Druck auf den Steering-Knopf im Cockpit. Beim Einlenken in die Kurve wird dann das Hinterrad in der Kurvenseite komplett abgebremst und gleichzeitig auf der gegenüberliegenden Seite beschleunigt. Der Wendekreis geht gegen Null und die Kehre lässt sich in einem Stück bewältigen. Eine herkömmliche G-Klasse schafft solche Kurven nur mit mehrmaligem Rangieren. Ebenfalls auf Knopfdruck lässt sich der Elektro-G auf der Stelle drehen – wenn der Untergrund locker ist. Erreicht wird das, indem sich die Räder gegenläufig drehen – ähnlich wie bei einem Panzer. Zum intelligenten Kriechen im Gelände sind drei verschiedene Geschwindigkeiten zwischen zwei und acht km/h einstellbar, mit denen sich der Stromer seinen Weg eigenständig durchs Gelände bahnt. Der Fahrer muss nur noch lenken. Die Funktion einer herkömmlichen Differenzialsperre wird durch Torque Vectoring ersetzt.

Ganz neue Optionen eröffnet der Elektroantrieb auch bei Wasserdurchfahrten. Links und rechts schwappt die braune Brühe fast bis zur Fensterkante, vorne ragen gerade noch die Motorhaube und die beiden Blinker-Höcker aus dem Wasser – die G-Klasse rollt unbeeindruckt zum Ufer. Die elektrische Version hat eine maximale Wattiefe von 840 mm – 150 mm mehr als die Version mit Verbrennungsmotor. Herkömmliche Motoren können mit der Verbrennungsluft auch Wasser ansaugen. Ist es zu viel, droht ein kapitaler Motorschaden, denn Wasser ist im Gegensatz zu Luft nicht im Zylinder komprimierbar. Kommt es so zum sogenannten Wasserschlag, können sogar Kolben und Pleuel Schaden nehmen. Den Elektromotoren ist das egal: Sie benötigen keine Luft und sind ansonsten gegen Wasser gut geschützt.

Der G 580 EQ wiegt fast 3,1 Tonnen und die Ingenieure mussten heftig kämpfen, um das Gesamtgewicht noch unter der Grenze von 3,5 Tonnen zu halten – sonst wäre für viele Käufer eine Führerscheinerweiterung notwendig gewesen. So fielen zum Beispiel auch eine Anhängekupplung und ein Glasdach weg. Dennoch bleibt schon in der leichtesten Grundausstattung die Zuladung bei etwas über 400 kg. Das entspricht einer Besetzung mit fünf durchschnittlich schweren Erwachsenen plus einer Herrenhandtasche.

Innen unterscheidet sich die vollelektrische G-Klasse kaum von einer herkömmlichen Version: bequeme Sitze, viel Platz, gewohnte Bedienung – alles edel und gediegen, Soundanlage mit Konzerthallenqualität, Assistenzsysteme reichlich. Das Display vor dem Fahrer liefert im Gelände relevante Daten und zeigt per Kamera, was vorne unter dem Fahrzeug liegt.

Mit einem Einstandspreis von mindestens 142.622 Euro liegt der G 580 EQ rund 10.000 Euro über dem Preis des G 500 mit 6-Zylinder-Reihenmotor. Deutlich teurer wird es dann erst mit dem AMG-Logo und V8. Dem macht vom Preis her allerdings die "Edition One" des G 580 EQ Konkurrenz, die zum Marktstart angeboten wird – für satte 192.524 Euro.

(fpi)