MIT Technology Review 2/2024
S. 59
Report
Kolumne

Dōmo arigatō, Kaizen

Die Philosophie der kleinen Schritte führt in Japan zu geschmeidig laufenden Prozessen – Kaizen ist das Zauberwort. Mit seiner Hilfe fährt sogar die Bahn pünktlich.

Julia Kloiber

アレルギーはありますか? – Die Frau vor mir tippt eifrig auf der Tastatur ihres Tablets. Ich verstehe sie erst, als die App die Übersetzung ausspuckt. „Haben Sie eine Allergie?“, steht da. Kopfschütteln. Es ist Dezember und ich sitze in einem Krankenhaus in Nagasaki. Mein Freund hat sich an der Hand verletzt. Zum Zeitpunkt unseres Krankenhausbesuchs umfasst unser Japanisch-Wortschatz zwei Lektionen Duolingo: „Hallo. Danke. Zwei Bier bitte. Ja. Wo ist die Toilette? Nein. Lecker. Tschüss.“ Damit einen Anamnesebogen auf Japanisch beantworten: ¯\_(ツ)_/¯

Julia Kloiber arbeitet als Mitgründerin der feministischen Organisation Superrr Lab an gerechten und inklusiven digitalen Zukünften. , Foto: Oliver Ajkovic
Julia Kloiber arbeitet als Mitgründerin der feministischen Organisation Superrr Lab an gerechten und inklusiven digitalen Zukünften.
Foto: Oliver Ajkovic

Während ich mir ein langwieriges Prozedere ausmale, biegt eine Pflegekraft mit einem iPad um die Ecke und startet die Übersetzungsapp. Erleichtert verlassen wir wenig später mit genähter Wunde und Rezept das Krankenhaus. Auf dem Rezept sind Fotos der Tabletten abgebildet. Das Design ist simpel, aber genial. Es bedarf keiner Übersetzung. Gut durchdachte User-Experiences wie diese werden mir auf meiner Reise noch öfter begegnen, vom Nahverkehr bis hin zum Katastrophenschutz. Doch was ist in Japan so anders als bei uns?