Make Sonderheft 2022
S. 3
Make
Editorial

Spielstrom

Mein Opa hat zwei Weltkriege erlebt, mehrere Ausbildungen durchlaufen und immer viel getan, um in diesen harten Zeiten gut durchzukommen. So wurde Improvisieren und Basteln, neben der Liebe zum Musizieren, seine zweite Natur. Es wurden Spielzeuge für meinen Vater konzipiert, Fotoapparate selbst gebaut und Reparaturen aller Art in Haus und Garten eigenhändig vorgenommen. Als die Zeiten besser wurden und die Rente kam, hat er aus Spaß weiterhin viel gebastelt und erfunden.

Was beim Rest der Familie nicht immer gut ankam, war für mich ein Paradies: So kam ich bei meinem Opa recht früh mit elektrischem Strom (wortwörtlich!) in Kontakt, allerdings nur mit Spielstrom, also Strom aus Batterien oder Trafos. Die Bezeichnung Spielstrom hat mir auch klargemacht, dass mit dem Strom aus der Steckdose nicht zu spaßen ist. Sicher gab es mal Funken bei Kurzschlüssen oder ein gebautes Gerät gab Rauchzeichen von sich, aber mehr auch nicht. Über die Elektromechanik-Kästen EM1 bis EM3 von Fischertechnik konnte ich dann später gefahrlos mein Wissen ausbauen. In das Feld der Elektronik ging es dann weiter mit den Kosmos-Radio+Elektronik-Baukästen.

Der erste größere Lötbausatz, ich war etwa 12 Jahre alt, musste dann gleich eine Dreikanal-Lichtorgel sein, die mit 220V und Glühlampen bis zu 60W arbeitete. Da hat es dann auch gleich die Sicherung rausgehauen und an einer ungewollten Lötbrücke ein paar Schmauchspuren auf der Platine produziert. Mein Vater hatte mir zwar mit dem fachgerechten Anschließen des Netzkabels und der Lampen geholfen: Von Elektronik hatte er jedoch auch keine Ahnung. Letztendlich, nach langem und frustrierendem Fehlerraten, funktionierte die Lichtorgel aber viele Jahre im Partykeller eines Bekannten.

Wenn ich eine Installation wie im Bild (in einer Pension irgendwo in Deutschland) sehe, weiß ich einfach aus meiner Erfahrung, dass dies keine gute Idee ist und werde die Geräte so auf keinen Fall benutzen. Das Leben als solches bietet schon genug Gefahren, die wir nicht beeinflussen können, daher sollten die Risiken vor allem im Hobbybereich so gering wie möglich gehalten werden. Durch das selbst erworbene oder angelesene Wissen und den gesunden Menschenverstand sind wir in der Lage und angehalten, alles zu tun, um uns und andere nicht zu verletzen.

Im Heft zeigen wir Ihnen Möglichkeiten auf. Denken Sie aber immer selbst! Und wenn Sie sich bei etwas nicht sicher sind, so fragen Sie einen Fachmann auf diesem Gebiet oder lassen das Projekt lieber nur ein Gedankenspiel sein.

In diesem Sinne: Bleiben Sie neugierig, aber gesund!

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Carsten Wartmann

Carsten Wartmann