c't 6/2024
S. 45
Aktuell
Forschung: Sekundärbatterie

Luftnummer

Akkutechnik auf Calcium-Luft-Grundlage

Gängige Akkus gründen auf dem Leichtmetall Lithium, das auf Kosten von Umweltschäden gewonnen wird. Überraschend spannen nun zwei Forschungsteams das chemisch widerspenstige, aber weit günstigere Calcium als Stromspeicher ein.

Von Dušan Živadinović

Die Entwicklung von Hochleistungsakkus auf Lithiumgrundlage gilt als eine der Heldentaten beharrlicher Forscher. Dafür gab es 2019 den Nobelpreis in Chemie, denn erst die Lithium-Ionen-Akkus ermöglichten tragbare Geräte wie Smartphones und Notebooks sowie Elektroautos mit brauchbarer Reichweite.

Doch Lithium (Li) hat Nachteile. Beispielsweise kommt es hauptsächlich in abgelegenen Gebieten vor und beim Abbau wird sehr viel Wasser verunreinigt. Deshalb suchen viele Forschungsgruppen nach Alternativen auf Basis anderer Metalle.

Darunter erscheint Calcium (Ca) attraktiv, weil es rechnerisch höhere Kapazität als Lithium verspricht und in der Erdkruste als das fünfthäufigste Element gilt. Gegenüber Lithium kommt es rund 2000-mal häufiger vor (Ca: 41.500 ppm, Li: 20 ppm), etwa als Kalkstein (CaCO3), und lässt sich viel leichter abbauen.

Bisherige Akkus auf Basis von Calcium sind aber ineffizient und weisen nur geringe Kapazitäten unter 200 mAh pro Gramm und Entladespannungen unter 2,6 Volt auf. Das liegt an den chemischen Eigenschaften von Calcium. Beispielsweise entstehen bei Calciumoxidakkus an der Kathode chemisch träge Verbindungen, die übliche Elektrolyte nur zu kleinen Teilen wieder auftrennen (Dissoziation). Deshalb wandert beim Aufladen wenig Calciummetall zur Anode zurück. Auch neigt Calcium dazu, mit Elektrolytbestandteilen isolierende Schichten zu bilden. Mit bisher üblichen Elektrolyten klappt die Dissoziation erst ab 75 °C in wünschenswertem Umfang.

Den Durchbruch bringen nun optimierte Elektrolyte, in denen die trägen Verbindungen schon bei Raumtemperatur dissoziieren. Das zeigen gleich zwei Forschungsteams aus China (siehe ct.de/ychz).

Shitao Geng und Xiaoju Zhao von der Shanghai Jiao Tong University beschreiben einen Calciumchloridakku, der auf einer reversiblen Kathoden-Redox-Reaktion gründet. Das CaCl2 löst sich in einer Elektrolytmischung, die unter anderem Lithium-di-Fluoro-Oxalat-Borat (LiDFOB) enthält. LiDFOB kennt man bereits länger als starkes Lösungsmittel für CaCl2.

Der Akku liefert eine hohe Entladungsspannung von 3 Volt, weist eine hohe Kapazität von 1000 mAh pro Gramm auf und funktioniert noch bis hinunter zu 0 °C. Allerdings nennen die Autoren weder die Leistung bei 0 °C, noch die maximale Anzahl an Ladezyklen.

Koaxialer Akku

Lei Ye und Mitarbeiter der Fudan-Universität in Shanghai haben ihren Calciumakku als koaxiale Textilfaser aufgesetzt. Die innen liegende Anode besteht aus einer dünnen, mit metallischem Calcium beschichteten Kernfaser aus Kohlenstoffnanoröhrchen. Ein Elektrolytgel umschließt die Anode. Es besteht unter anderem aus Tetrafluoroborat, Dimethylsulfoxid und Calcium-bis-Trifluoro-Methan-Sulfonimid. Nach Aufbringen des Gels auf die Anode polymerisiert es unter UV-Licht und umschließt so die Anode dauerhaft. Ein Geflecht aus Kohlenstoffnanoröhrchen, die Kathode, umhüllt schließlich das Gel und die Kernfaser.

Beim Entladen fließen Calciumatome von innen nach außen, geben je zwei Elektronen ab und verbinden sich mit dem Luftsauerstoff zu Calciumperoxid (CaO2). Beim Laden läuft der Prozess umgekehrt ab: CaO2 gibt sein Sauerstoffmolekül ab und metallisches Ca kehrt zurück zur Anode. Auch dieser Prozess läuft dank der speziellen Elektrolytmischung bei Raumtemperatur ab. Die Kapazität der Labormuster geben die Forscher mit rund 500 Milliamperestunden pro Gramm an. Rund 700 Ladezyklen seien möglich.

Von einer Serienreife sind beide Entwicklungen noch weit entfernt. Aber besonders der Ansatz von Ye und Mitarbeitern erscheint interessant, weil sich die flexiblen Nanoröhrchen wie Textilfasern verweben lassen. Denkbar seien daher Sensoren oder andere Elektronik, die Strom aus der Kleidung bezieht. (dz@ct.de)

Calciumakkus: ct.de/ychz

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