c't 6/2024
S. 3
Standpunkt

1,5 Grad wärmer: KI hilft nicht

2023 war das Jahr, in dem der Hype um generative KI seinen (vorläufigen) Höhepunkt hatte. ChatGPT, DALL-E, Midjourney und Tausende andere KI-Produkte überschwemmten den Markt. KI-generierte Software, Texte und Bilder fluteten das Netz. Schaut man genau hin, fallen beim Output aller Chatbots und Bildgeneratoren Ungereimtheiten auf. Alles ist fast realistisch, fast richtig, fast gut.

2023 war außerdem das Jahr, in dem erstmals das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte 1,5-Grad Ziel über die Dauer eines Jahres verfehlt wurde. Im 20-Jahresmittel darf es maximal 1,5 Grad wärmer werden als vor der Zeit, zu der die Menschen begannen, das Klima durch die Verbrennung fossiler Energieträger aufzuheizen, wenn wir nicht wollen, dass die globalen Wetter- und Klimabedingungen noch unbequemer werden.

Laut einer McKinsey-Studie haben viele Unternehmen generative KI mittlerweile in ihre Prozesse integriert, konnten daraus aber bisher nur wenig Wert schöpfen. Firmen, die versucht haben, menschliche Arbeit komplett durch KI zu ersetzen, hatten davon womöglich mehr Schaden als Nutzen – man denke an Redaktionen, die sich mit KI-verfassten Berichten blamiert haben, oder die Airline mit dem Chatbot.

Das heißt nicht, dass es für KI keine sinnvollen Anwendungen gäbe. Aber ob massenhaft fehlerhafte Texte, glitchy Videos oder "Fotos" von Menschen mit zu vielen Fingern oder Zähnen dazugehören, kann man infrage stellen. Auch, ob sie es wert sind, dass in den USA alte Kohlekraftwerke am Netz bleiben, um die benötigte Rechenleistung bereitzustellen. Einer Schätzung zufolge könnte der Energiehunger von KI bald dem eines ganzen Landes entsprechen.

Ob es sinnvoll ist, so viel graue Energie, Geld und Ressourcen in etwas zu stecken, das in vielen Fällen weder verlässlich ist, noch eine substanzielle Bereicherung darstellt? Vielleicht wäre es gut, den Hype um derartige Spielereien nicht weiter zu befeuern. Wenigstens, solange dafür fossile Brennstoffe verbrannt werden müssen. Der Klimawandel ist real. Was passiert, wenn er weiter nicht ernst genommen wird, darauf hat 2023 einen Vorgeschmack geliefert. Dafür, dass ein KI-Chatbot ihn für uns lösen wird, gibt es bisher keine Belege.

Kathrin Stoll
Kathrin Stoll

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