c't 6/2024
S. 120
Wissen
Menschenmassen schätzen
Bild: KI Midjourney | Collage c’t

Menschenmengen-Arithmetik

Von Zollstock bis KI: Wie man die Teilnehmerzahl auf Massenveranstaltungen ermittelt

Bestand das Lichtermeer in München aus 100.000 oder 300.000 Menschen? Strömten in Hamburg 60.000, 100.000 oder gar noch mehr zur Demo gegen Rechtsextremismus? Polizei und Veranstalter liegen in ihren Schätzungen oft weit auseinander. Die Größe einer Menschenmenge korrekt zu berechnen, ist gar nicht so einfach.

Von Andrea Trinkwalder

Nach fast jeder Demonstration entzündet sich reflexartig die Diskussion um die Teilnehmerzahl und man wundert sich: Wie kommt es, dass die Schätzungen von Polizei und Veranstalter um Tausende oder gar Zigtausende Personen auseinander liegen? Klar: Der Veranstalter hat immer ein Interesse daran, eine möglichst hohe Teilnehmerzahl zu verkünden, während der (politische) Gegner diese regelmäßig kleinredet. Die Polizei wiederum benötigt die Zahlen vor allem zur Einsatzplanung und für ihr Sicherheitskonzept.

Zwar wird den Polizeisprechern gerne unterstellt, dass sie absichtlich niedrige Zahlen verbreiten, um ihre arg knappe Personalplanung zu rechtfertigen. Belegen lässt sich diese Behauptung allerdings nicht: Soziologen, die sich mit diesem Phänomen befassen, sehen keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Polizei ein Eigeninteresse an besonders niedrigen Zahlen haben könnte. Im Fall der Hamburger Demo gegen Rechts am 19. Januar rechnete die Behörde aufgrund des hohen öffentlichen Interesses „ausnahmsweise“ nochmals nach und korrigierte die Zahlen schließlich deutlich nach oben, wie wir weiter unten erklären.

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