c't 5/2024
S. 3
Standpunkt
mash, Marhenke

Apple Vision Pro: Werkzeug zum Bauen

Seit dem Verkaufsstart von Apples neuem Mixed-Reality-Headset ringen Tester und Nutzer um Worte, die das Vision-Pro-Erlebnis gut beschreiben: Wie fühlt sich Apples "Computer im Raum" (Spatial Computing) an? Gelingt dem Konzern nach dem iPhone-Coup erneut ein großer Wurf? Wo ist die Killer-App?

Ich kam beim Test zu keinem Urteil. Denn während ich den Kopfcomputer aufgeschnallt hatte und den digital angereicherten Raum mitsamt schwebenden Fenstern, Bedienelementen und Landschaften vor mir erkundet habe, war ich davon eingenommen, die Anwendungen, Fenster, Griffe, Tasten und Scrollbalken auszuprobieren. Unterdessen notierten die Laborkollegen die Eindrücke gewissenhaft mit. Ach ja, das Headset drückt nach einer Weile ein bisschen auf Stirn und Nase.

Aber manchmal spürt man den Wert der Dinge erst dann, wenn sie fehlen. Bei mir stellte sich unmittelbar nach Verlassen unseres Labors ein Verlustgefühl ein: Ich wollte dieses zusätzliche Kontinuum, in dem meine Arbeits- und Spaßwerkzeuge wie auf Riesenwerkbänken in mehreren Räumen verteilt lagen, wieder um mich haben.

Okay, manche Kritiker bezweifeln den Nutzen der Vision Pro, weil sie berührende Erlebnisse wie 3D-Aufnahmen von etwa Kindergeburtstagen eben nicht so unmittelbar teilen können wie ein aufgeschlagenes Fotoalbum, sondern mit ihrer Rührung isoliert bleiben.

Aber Konsumieren ist das Gegenteil von Gestalten. Und Einsamkeit ist nicht dasselbe wie Alleinsein. Nützliche und sinnhafte menschliche Werke entstehen nicht während gemeinsamer Kaffeekränzchen, sondern in Abgeschiedenheit und Versenkung. Es freut mich daher, dass Apple – noch klarer als andere Headsethersteller am Consumermarkt – eine Lanze für kreative und produktive Anwendungen bricht.

Für mich ist das Headset eine Workstation und schreit geradezu nach Workstation-Software. Deshalb vermisse ich mein vom Mac gewohntes Terminal mitsamt quelloffenen Entwickler- und Admin-Tools. Der Mensch ist das einzige Tier, das Werkzeuge entwickelt, um damit neue Werkzeuge zu bauen. Die Brille hat dieses Potenzial, es schlummert mehr drin als Apple vorsetzt.

Dušan Živadinović
Dušan Živadinović

Dušan Živadinović

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