c't 3/2024
S. 3
Standpunkt

Grüner Strom: Öko-Overkill

Freunde der Atomkraft müssen jetzt stark sein: Trotz der AKW-Abschaltung im April importierte Deutschland nur 2,3 Prozent des hierzulande verbrauchten Stroms aus dem Ausland. Gleichzeitig ging die Verstromung von Kohle deutlich zurück. Wegen des stürmischen Wetters im Dezember lieferte zeitweise alleine die Windkraft in Deutschland mehr Strom, als überhaupt verbraucht werden konnte. Es sei aber nicht verschwiegen, dass die relativ gute Ökostrombilanz des Jahres 2023 auch mit dem wirtschaftlichen Abschwung und hohen Strompreisen zusammenhängt. Trotzdem: endlich mal eine gute Nachricht!

​Allerdings wird nun noch deutlicher, wo es beim Umstieg auf regenerativen Strom hakt: bei Hochspannungsleitungen und Speichern. Weil Transportkapazität von Nord nach Süd fehlt, kann immer mehr Windstrom nicht abgenommen werden. Das droht den Ausbau zu bremsen, weil sich ein Windrad oder Solarmodul nur dann amortisieren kann, wenn es Strom tatsächlich liefert. Außerdem kommt es zu skurrilen Situationen wie der, dass Menschen in Süddeutschland Strom sparen sollen, weil es zu viel davon gibt – nämlich Windstrom aus dem Norden, der die Leitungen auslastet.

​Batteriespeicher können die Nutzung von Ökostrom optimieren und stabilisieren das Netz; mit rund 7 Gigawatt (GW) leisten sie zusammen schon heute etwas mehr als alle Pumpspeicherkraftwerke auf deutschem Boden. Doch die Batteriekapazität muss noch um ein Mehrfaches wachsen. Immerhin: Mehrere riesige Akkuspeicher und einige Leitungen sind im Bau, noch mehr allerdings bloß geplant. Und die Umwandlung von billigem Ökostrom in grünen Wasserstoff kommt nur im Schneckentempo voran. Helfen würden auch flexiblere Verbraucher, etwa per Smart Meter automatisch gesteuerte Wallboxen und Wärmepumpen, die bei regionalem Stromüberschuss E-Autos laden und Wasserspeicher aufheizen. Oder man installiert einen schlauen Heizstab, siehe Seite 104.

​Bisher treiben Privatleute den Solarspeicherausbau voran, abertausende Anlagen gingen 2023 in Betrieb. Bei Balkonkraftwerken droht dabei aber eine Falle für Geldbeutel und Umwelt. Denn theoretisch kann ein Akkuspeicher zwar den Ertrag auch einer 600- oder 800-Watt-Anlage optimieren. Doch wegen der geringen Energiemengen bringt das pro Tag nur Kleingeld und manche chinesische Speicherbox dürfte ausfallen, bevor sie sich bezahlt macht – vor allem, wenn es schon in fünf Jahren kein Ersatzteil mehr dafür gibt. Dann droht unnötiger Elektroschrott, der dem Klima mehr schadet als nützt.

Christof Windeck
Christof Windeck

Christof Windeck

Kommentare lesen (6 Beiträge)