c't 2/2024
S. 3
Standpunkt

Wasserstoffautos: Stoppt das Schauspiel

Die Autoindustrie befindet sich im rasenden Wandel und jeder Akteur muss aufpassen, den entscheidenden Schritt in die richtige Richtung zum richtigen Zeitpunkt zu machen. Verpasst er ihn oder verzettelt er sich, geht er unter. Immerhin, die Politik sorgt für langfristige Planungssicherheit: Neuwagen, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden, können in der EU nur noch bis Ende 2034 erstmals zugelassen werden. Die Industrie reagiert und entwickelt Pkw mit batterieelektrischem Antrieb, gleichzeitig gedeiht die Ladeinfrastruktur.

Doch selbsternannte Freiheitsprediger erweisen den Herstellern einen Bärendienst und trommeln lautstark für Alternativen zum batterieelektrischen Auto. Dazu gehört Wasserstoff, mit dem in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt wird. Der Durchbruch im Pkw, so wird es seit Jahrzehnten kolportiert, stehe unmittelbar vor der Tür – doch niemand mag sie öffnen. Dabei geschieht das Nachfüllen von Fahrenergie im Vergleich zum batterieelektrischen Antrieb rasant. Die Reichweite liegt bei einem gefüllten 6-Kilogramm-Tank locker bei mehr als 500 Kilometer. Eine Tankstelle in der Nähe vorausgesetzt, ist der tägliche Umgang vergleichbar mit einem konventionellen Verbrenner.

Die Probleme liegen allerdings nicht im Alltag, sondern in der Kette davor. So werden zur Wasserstoffproduktion enorme Mengen Strom benötigt. Rund 60 bis 80 kWh werden verbraucht, bis die 1 bis 1,3 Kilogramm Wasserstoff im Pkw nutzbar sind, die er auf 100 Kilometer verbraucht. Damit die Rechnung im Sinne der Umwelt aufgeht, müssten die Produktionsanlagen durchgehend mit regenerativ erzeugtem Strom arbeiten. Solch "grüner" Wasserstoff ist auf dem Weltmarkt kaum zu haben. Hinzu kommt die extrem teure Infrastruktur: In Deutschland gibt es derzeit rund 90 H2-Tankstellen; damit liegt dieses Land in der EU einsam an der Spitze. In vielen anderen Staaten ist kaum absehbar, woher das Geld für eine halbwegs flächendeckende H2-Infrastruktur kommen soll.

Kein Wunder also, dass bis auf ein paar Projekte (mehr dazu ab Seite 54) nichts Greifbares beim Thema "H2 im Pkw" in Aussicht ist. Die Exoten verdanken ihre Existenz vermeintlichen Freiheitsverteidigern, die Technologieoffenheit propagieren und mit Steuergeldern Irrwege finanzieren können, weil niemand sie stoppt. Zeit, diesem Schauspiel ein Ende zu bereiten.

Martin Franz
Martin Franz

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