c't 1/2024
S. 158
Wissen
Digitalzwang
Bild: Albert Hulm

Ohne App geht nix

Ein rechtlicher Blick auf den Digitalzwang

Ob es um Ticket-Abos, Paketabholung, Geldüberweisungen oder sogar Behördentermine geht: Dienste und Anliegen, die sich früher analog handhaben ließen, erfordern heute vielfach einen Zugriff aufs Internet – oft muss man sogar spezielle Mobil-Apps nutzen. Ist es rechtlich in Ordnung, App-Abstinenzler von grundlegender Alltagsteilhabe praktisch auszuschließen?

Von Harald Büring

Die deutschen Big Brother Awards, die die Datenschutz- und Bürgerrechtsinitiative Digitalcourage e.V. alljährlich verleiht, gehören nicht zu den Preisen, die ein Ausgezeichneter gern entgegennimmt: Es sind Negativpreise, die beklagenswerte Verdienste in puncto digitaler Privatsphärenignoranz, Datensorglosigkeit und Verbraucherfeindlichkeit widerspiegeln. 2023 erwischte es in der Kategorie Verbraucherschutz die Deutsche Post DHL Group [1]. Einer der Gründe: Das Unternehmen bindet die Abholung von Paketen bei Packstationen neuerer Art an die Nutzung der Post- und DHL-App auf dem Smartphone. Dieses muss sich per Bluetooth LE mit der Packstation verbinden und dann selbst per Internet Kontakt mit dem DHL-Server aufnehmen. Damit spart der Logistikriese sich nicht nur Bildschirm nebst Scanner zum Auslesen herkömmlicher Zustellbenachrichtigungen, sondern auch eine direkte Internetanbindung der Packstationen. Zugleich zwingt er seine Kunden, die im Hinblick auf Datenschutzbedenken durchaus problematische Mobil-App zu nutzen – auch diejenigen Paketempfänger, deren hausadressiertes Paket zu einer jener Packstationen umgeleitet worden ist.

Der IT-Sicherheitsexperte Mike Kuketz und der Rechtsanwalt Peter Hense von der Leipziger Sozietät Spirit Legal haben eine umfangreiche Analyse vorgelegt, die das Datensendeverhalten gerade dieser App unter Android und iOS in ausgesprochen zweifelhaftem Licht erscheinen lässt [2]. Als Reaktion darauf behauptete die Deutsche Post, indem sie sich mit einzelnen kritisierten Details befasste, die App sei insgesamt datenschutzkonform [3]. Die Praxis des für den Authentifizierungsvorgang eigentlich unnötigen App-Zwangs findet das Unternehmen nicht problematisch. Im Gegenteil preist DHL das eigene Vorgehen noch als kundenfreundlichen Service an [4]. Durch die Preisverleihung an die Deutsche Post DHL Group ist mancher überhaupt erst auf das Phänomen des grassierenden Digitalzwangs aufmerksam geworden.

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