c't 1/2024
S. 3
Standpunkt

Kommunikationsdienste: Briefpost abschaffen!

Die gute alte Post machte kürzlich mit der Ankündigung von sich reden, Briefe nicht mehr wie bisher am nächsten Werktag zuzustellen, sondern erst nach drei Tagen. Ich gehe da weiter: Verbietet diese antiquierte, fossile, unsichere, nervig umständliche und obendrein klimaschädliche Kommunikationsform doch endlich ganz! Ich kriege jedes Mal Brechreiz, wenn mir die Post einen Brief per E-Mail ankündigt.

Da habe ich doch wie Millionen Mitmenschen im Lande brav und termingerecht per Internet eine Grundsteuererklärung abgegeben. Der resultierende Messbescheid kam dann mit der Post. Eine elektronische Kopie kann ich nicht bekommen, obwohl die Bescheide doch per EDV erstellt wurden. Wer steckt hinter der bekloppten Idee, Millionen solcher elektronischer Dokumente auf Papier zu drucken, in Umschläge zu stecken und per Automobil zu den Empfängern zu bringen? Frage aus dem letzten Pisa-Test: Wie viele Mathelehrer kann Niedersachsen vom Porto für 4,5 Millionen Steuerbescheide bezahlen?

Auch dass meine Bank mir datenschutzrechtliche Auskünfte nur per Brief erteilen will, anstatt sie wie alles andere ins elektronische Postfach zu legen, ist ein sehr schlechter Witz. Der Bank-Account ist deutlich besser vor den Blicken Neugieriger geschützt als das klapprige Blechding an meiner Haustür. Das größte Amtsgericht Deutschlands, jenes in Frankfurt am Main, ist fünf Jahre nach Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs noch immer nicht in der Lage, Zustellungen an Prozessparteien digital auszuführen.

Man kann uns die fossilen Arten der Fortbewegung und des Heizens verbieten, aber der klimaschädlichen Unsitte des Briefeversendens wollen nicht mal die Grünen Einhalt gebieten? Wie wäre es wenigstens mit einer Lindner-kompatiblen Marktregelung: Briefporto von mindestens 10 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und kräftiger CO2-Abgabe? Banken, Versicherungen und Energiekonzerne würden dann schnell aufhören, uns mit Papier zuzumüllen. Nur das Fahrgastrechtezentrum der Deutschen Bahn wird sicher bis in alle Ewigkeit ausschließlich per Post erreichbar bleiben – mit fossilem Segen des Verkehrs- und Digitalministers Wissing und sämtlicher seiner Nachfolger. Dessen bin ich mir ebenso gewiss wie des Amens am Ende des Weihnachtsgottesdiensts.

Tim Gerber
Tim Gerber

Tim Gerber

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