c't 8/2023
S. 140
Wissen
40 Jahre c’t

Pinguin frisch geschlüpft

Ein freies Unix für den PC – 1992 berichtete die c’t über Linux

Ein Gratis-PC-Unix, das über ein wenig bekanntes Medium namens Internet rasend schnell weiterentwickelt wird, brachte Anwender zum Staunen und Softwareunternehmen zum Schwitzen. c’t stellte Linux im November 1992 ausführlich vor.

Von Rudolf Opitz

Unix ist das wohl verbreitetste Betriebssystem überhaupt. Nur wenige Server, Superrechner, Embedded-Systeme oder Smartphones laufen mit Betriebssystemen, die nicht auf Unix zurückgehen. Die erste Unix-Version programmierten Ken Thompson und Dennis Ritchie schon 1969. In den 1970er Jahren wurde Unix an Universitäten, besonders aber von der Computer Systems Research Group der University of California, Berkeley weiterentwickelt. Der Quellcode verbreitete sich von Uni zu Uni, bis der US-Telefonnetzbetreiber AT&T, in dessen Bell Labs Unix entwickelt wurde, Anfang der 1980er Jahre Unix kommerziell vermarktete. Mit freiem Quellenzugang war damit Schluss.

Eine Portierung von Unix auf den PC fehlte lange, bis Andrew Tanenbaum 1987 das Lehrsystem Minix entwickelte. Da Tanenbaum die Kernel-Quellen zwar offenlegte, Änderungen aber verbot, entstand daraus kein freies PC-Unix. Allerdings motivierte es Linus Torvalds 1991 zur Entwicklung des Linux-Kernels. Der verbreitete sich rasch, wie c’t-Autor Dirk Hohndel in seinem Artikel „Kommerz-Killer“ schrieb:

„Wahrscheinlich ist es dem Telefongiganten AT&T aber kein Trost, daß es gerade die [seine] Modem-Leitungen sind, über die ein weiteres kostenloses PC-Unix mit rasanter Geschwindigkeit entwickelt wird.“

Zwar gab es weitere Ansätze für ein PC-Unix, doch das BSD-Unix aus Berkeley enthielt noch Code unter AT&T-Copyright und das GNU-Projekt von Richard Stallman kämpfte mit Kernel-Problemen. Torvalds veröffentlichte seinen Linux-Kernel unter der GNU GPL (GNU General Public License), was nicht nur die Weiterentwicklung stark beschleunigte. Dank der zahlreichen Unix-Tools des GNU-Projekts entstand so rasch ein nutzbares PC-Unix inklusive grafischer Oberfläche:

„Im September ’92 war Linux in der Version 0.97 zu erhalten, noch im Oktober wird 0.98 die aktuelle Version werden. Die ,Major Release Number‘ 0 sollte den Interessenten nicht abschrecken. Linux ist stabiler als manch kommerzielles System in Release 2.x und enthält die meisten für ein Unix-Betriebssystem wichtigen Eigenschaften.“

Linus Torvalds entwickelte den ersten Linux-Kernel auf einem 80386er-System, da er dessen fürs Multitasking nützlichen Befehle ausprobieren wollte. Daher ist der 32-Bit-Prozessor auch Voraussetzung für Linux, was Nutzer mit damals noch gängigen 286er-PCs ausschloss, doch der Leistung des Linux-Kernels guttat.

„Der Kernel ist auch aufgrund seiner speziell auf den 80386 ausgerichteten Entwicklung äußerst schnell und hat einen sehr geringen Overhead, was auch einem hardwaremäßig unterlegenen Rechner wie einem 486er mit ISA-Bus zu Vorteilen gegenüber einem eigentlich schnelleren Rechner verhelfen kann.“

In der Ausgabe 11/1992 machte c’t in einem ausführlichen Artikel zum ersten Mal richtig Appetit auf das noch junge Linux-Betriebssystem.
In der Ausgabe 11/1992 machte c’t in einem ausführlichen Artikel zum ersten Mal richtig Appetit auf das noch junge Linux-Betriebssystem.

Der Pinguin Tux schlüpfte als Linux-Maskottchen allerdings erst 1996 aus dem Ei; der Originalentwurf stammt von Larry Ewing, der auch an der Entwicklung des Zeichenprogramms Gimp beteiligt war. Apropos Entwicklung:

„Die große Entwicklungsgeschwindigkeit von Linux und den zugehörigen Programmen beruht auf dem hohen Informationsdurchsatz des Mediums Internet.“

Das Internet war 1992 für viele Menschen neu, die meisten Entwickler waren Studenten, die den Internetzugang der Universität nutzten. Daher schließt unser Linux-Artikel mit einem Kasten, der wichtige Dienste wie FTP und E-Mail erklärt. Das World Wide Web kannte kaum jemand, es setzte sich erst ab 1993 mit dem Browser Mosaic langsam durch. Über den untenstehenden Link finden Sie wie bei jedem 40-Jahre-c’t-Artikel den Originalartikel. (rop@ct.de)

Artikel „Kommerz-Killer“ als PDF: ct.de/ydjg

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