c't 7/2023
S. 52
Aktuell
Nachhaltigkeitszertifikat für Rechenzetren

Grüne Rechenzentren

SDC: Neues Nachhaltigkeitszertifikat des TÜV Rheinland

Große Rechenzentren sind für das Internet unerlässlich – verbrauchen aber auch extrem viele Ressourcen. Das SDC-Zertifikat des TÜV Rheinland soll Betreibern und Kunden eine Einordnung der Nachhaltigkeit ähnlich der Energieeffizienzklassen für Elektrogroßgeräte erlauben.

Von Marie-Claire Koch und Andrijan Möcker

Rechenzentren sind energiehungrig: Laut einer Bitkom-Studie von 2021 benötigten deutsche Rechenzentren 2020 rund 16 Terawattstunden elektrischer Energie, also 16 Milliarden Kilowattstunden. Legt man den durchschnittlichen deutschen Strommix zugrunde, hat deren Erzeugung rund 6 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Geht es nach dem Entwurf des Energieeffizienzgesetzes, sollen deutsche Rechenzentren bis 2027 klimaneutral werden.

Besonders tiefgreifende Zertifizierungen mit Kategorisierung für die Nachhaltigkeit von Rechenzentren fehlten jedoch bis zuletzt. Der TÜV möchte das mit dem neuen Sustainable-Data-Center-Zertifikat (SDC-Zertifikat) ändern, das nicht nur eine Art Siegel vergibt, sondern Rechenzentren in Energieeffizienzklassen von A (sehr gut) bis G kategorisiert. Der Prüfdienstleister hat das SDC-Zertifikat in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma High Knowledge entwickelt, die sich auf emissionsfreie und modulare Rechenzentren spezialisiert hat. Wir haben mit dem TÜV Rheinland und High Knowledge über die neue Zertifizierung gesprochen.

Prüfung in fünf Bereichen

Betreiber, die ein SDC-Zertifikat möchten, müssen sich laut TÜV Rheinland einem umfangreichen Audit unterziehen: Zunächst wird der Standort des Rechenzentrums untersucht. Dazu gehören beispielsweise die Bauweise, Baustoffe, der Baugrund, auf dem das Rechenzentrum errichtet wurde, und ob der Betreiber bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt.

Danach inspizieren die Prüfer eingesetzte Informations- und Kommunikationstechnik – zum Beispiel die Energieeffizienz der IT-Komponenten und Anwendungen. Wie viel elektrische Energie für wie viel Rechenleistung aufgewendet wird, spielt eine entscheidende Rolle. Wer etwa alte, ineffiziente Server einsetzt, bekommt hier weniger Punkte.

Ein dritter Teil befasst sich mit der Elektro- und Klimatechnik: unter anderem mit der Leistungsaufnahme, der Bauart der Kühltechnik sowie deren Effizienz und Energieverteilung. Da beim Rechenzentrumsbetrieb viel Abwärme entsteht, spielt auch deren weitere Nutzung eine Rolle: Bläst der Betreiber die warme Luft einfach nach außen oder heizt er damit Büros und Frischwasser? Auch der Verbrauch von Wasser für den Rechenzentrumsbetrieb – etwa zur Kühlung – spielt für das Zertifikat eine Rolle.

Weiter will der TÜV Rheinland auch auf Dinge achten, die zunächst banal erscheinen mögen – etwa die Abfallvermeidung und den Arbeitsweg der Mitarbeiter beziehungsweise deren Möglichkeiten, diesen klimafreundlicher zu gestalten. Punkte gibt es etwa für ein Jobticket oder ein dienstliches E-Bike.

Der vom TÜV Rheinland veröffentlichte Auszug führt grob auf, welche Punkte in den fünf Bereichen bei einem Audit geprüft werden. Eine umfangreiche Liste bekommen Unternehmen, die das Zertifikat erhalten wollen., Bild: TÜV Rheinland
Der vom TÜV Rheinland veröffentlichte Auszug führt grob auf, welche Punkte in den fünf Bereichen bei einem Audit geprüft werden. Eine umfangreiche Liste bekommen Unternehmen, die das Zertifikat erhalten wollen.
Bild: TÜV Rheinland

Das SDC-Zertifikat ist drei Jahre gültig und kostet ungefähr einen kleineren fünfstelligen Betrag. Zur Aufrechterhaltung muss jährlich ein erneutes Audit stattfinden.

Punktet das Rechenzentrum im Audit ausreichend, bekommt der Betreiber das Zertifikat sowie einen Nachhaltigkeitspass und ein Label, das er auf seiner Website präsentieren darf – ähnlich dem Energielabel für Elektrogeräte. Ein Rechenzentrum des IT-Dienstleisters Akquinet hat als erstes das SDC-Zertifikat erhalten und die Klasse B erreicht.

Alte Idee, neuer Plan

Die Grundidee des TÜV Rheinland ist nicht neu: Das deutsche Umweltbundesamt und auch sein österreichisches Pendant BMK verteilen bereits seit Längerem Siegel für den umweltfreundlichen und nachhaltigen Rechenzentrumsbetrieb. Jedoch kennen diese Siegel keine Klassen und sind laut TÜV – ein detailliertes Dokument hat der Prüfdienstleister noch nicht veröffentlicht – oberflächlicher als das SDC-Zertifikat.

Der Zertifizierer schätzt, dass sich aufgrund der neuen Regularien zeitnah 20 bis 30 Prozent der Rechenzentrumsbetreiber für das Zertifikat interessieren werden. Außerdem sollen die Richtlinien des SDC-Zertifikats bei Ausschreibungen von Neubauten als Maßgabe dienen können. (amo@ct.de)

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