c't 7/2023
S. 146
Wissen
40 Jahre c’t

Geld verdienen im Cyberspace

2007 berichtete c’t über den Hype um Second Life

Das Metaversum, eine computergenerierte Parallelwelt, ist spätestens seit Zuckerbergs Engagement und der Umbenennung seines Unternehmens in „Meta“ in aller Munde. Der weltweite Hype begann bereits 2006 mit „Second Life“. 2007 analysierte die c’t: In der Second-Life-Welt geht es vorwiegend ums Geschäfte machen.

Von Rudolf Opitz

Das US-Unternehmen Linden Labs hatte Second Life bereits 2003 gestartet, was zunächst nur von wenigen beachtet wurde. Der Standardzugang war gratis, ebenso wie die nötige Clientsoftware. Neubewohner beschäftigen sich zunächst ausführlich mit dem Design ihres Avatars. Danach teleportiert man ihn zu einem Ort, wo etwas los ist. Doch selbst 2007 auf der Höhe des Hypes trafen Neugierige dort vorwiegend auf Marketingspezialisten. Es geht ums Geldverdienen mit virtuellen und realen Gütern. Nico Nowarra schrieb in seinem c’t-Artikel „Wo Linden-Dollars regieren“:

„Das kann jeder – so die oft gehörte Second-Life-Version des amerikanischen Traums: zum findigen Unternehmer werden und mit irgendetwas, das man von Avatar zu Avatar für Linden-Dollars (abgekürzt L$) versetzen kann, schnell und unkompliziert ans große Geld zu kommen.“

Die Linden-Dollars gehören zu den frühen virtuellen Währungen, die gekauft und in reales Geld getauscht werden können. Im Frühjahr 2007 lag der offizielle Kurs bei 268 L$ für einen Euro, heute bekommt man pro Euro 341 L$. Unternehmer, die Filialen im virtuellen Raum errichten wollen, brauchen einen kostenpflichtigen Premium- oder Premium-Plus-Account, der aktuell zwischen 5,50 und 30 US-Dollar pro Monat kostet. Dafür können sie in der Second-Life-Welt – im Fachjargon das „Grid“ genannt – Land erwerben. Dort baut der Unternehmer Geschäfte, Clubs oder Vergnügungsparks und lässt sich den Besuch mit Linden-Dollars bezahlen. Nowarra schrieb 2007:

„Legendenartige Informationen über Einzelpersonen, die durch virtuellen Handel im realen Leben zu Millionären geworden sein sollen, werden getreulich von einem Zeitungsartikel zum nächsten weitergereicht. Niemand kann diese Geschichten überprüfen – auch unser Versuch, dies zu tun, schlug fehl.“

Der Traum vom im virtuellen Raum erworbenen Reichtum ist für viele ein Traum geblieben, doch lockte Second Life Kreative an, die Kunstwerke schufen oder für Avatare Kleidung und Frisuren designten. Doch entwickelte sich die kommerzielle VR in eine wohlbekannte Richtung:

„[...] hier fühlt sich mancher Neuling bei seiner Ankunft zunächst an Bahnhofsviertel in Großstädten erinnert: Auf der einen Seite Sexshops und Ramschläden sowie Betriebe des virtuellen horizontalen Gewerbes, auf der anderen Shopping-Paradiese mit Kaufhäusern, Modeboutiquen und Cafés.“

Nico Nowarra berichtete in der c’t 7/2007 über das Metaversum Second Life und die Währung Linden-Dollar.
Nico Nowarra berichtete in der c’t 7/2007 über das Metaversum Second Life und die Währung Linden-Dollar.

Eine Haupteinnahmequelle für L$ war zunächst das Glücksspiel mit Casinos und Wettbüros, doch untersagte Linden Labs dieses ab Ende Juli 2007. Das führte prompt zur ersten virtuellen Bankpleite: Die bereits 2004 gegründete Ginko Capital konnte dem nach dem Glücksspielverbot einsetzenden Bankansturm nicht standhalten und die geforderten 50 Millionen L$ (damals knapp 180.000 US-Dollar) nicht bereitstellen. Rechtsanwalt Andreas Lober berichtete in der c’t 24/2007:

„Die ‚AvaStar‘, Axel Springers Blatt in Second Life, titelte in bester Boulevardmanier ‚Banken-Skandal erschüttert SL‘ und spekulierte über frisierte Unternehmenskennzahlen.“

Anfang 2007 meldete Linden Labs 4,3 Millionen Second-Life-Bewohner, zum 15-jährigen Bestehen 2018 nannte man 54 Millionen Accounts. Die Zahl der regelmäßigen Nutzer war aber stets bedeutend kleiner und soll spätestens seit 2016 stetig zurückgegangen sein. Auch wurden viele Projekte nach und nach eingestellt, wie 2011 die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Im Schulunterricht setzte sich später eine kindgerechtere virtuelle Welt durch: Minecraft. (rop@ct.de)

Second-Life-Artikel 2007: ct.de/yweh

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