c't 3/2023
S. 3
Standpunkt

Digitalisierung: Tschüss, Plastik!

Früher habe ich nicht viel über den Inhalt meines Portemonnaies nachgedacht. Darin sammelte sich allerlei Krimskrams, der irgendwann mal superwichtig war, aber dann in Vergessenheit geriet: abgelaufene Café-Gutscheine, nicht mehr gültige Friseur-Stempelkarten und Kinotickets von "The Dark Knight Rises".

Auch nach dem Aufräumen blieben noch viel zu viele Kunden- und Bankkarten über. Beim Versuch, einen Platz dafür zu finden, erinnerte ich mich an eine Situation im Supermarkt, als eine junge Frau an der Kasse für ihre Kundenkarten ein zweites Portemonnaie zückte.

So wollte ich nicht enden. Also machte ich mich noch am selben Tag auf die Suche nach Apps, die Kundenkarten speichern. Herrjemine, so viele Apps! Manche gruselig und voller Werbung, andere nützlich. Beim genaueren Hinschauen erwiesen sich allerdings einige davon als üble Datensammler. Ausgerechnet die populärsten Apps waren die schlimmsten.

Vor solchen Datenschleudern muss man warnen, dachte ich. Kurze Rundmail in der Redaktion, rasch meldeten sich motivierte Mitstreiter und machten sich flott ans Werk: Einige fragten Firmen an, andere durchkämmten die Datenschutzerklärungen. Die Ergebnisse können Sie ab Seite 18 nachlesen.

Eine traurige Erkenntnis sei hier schon verraten: Nicht alle Karten lassen sich aus dem Portemonnaie verbannen. Denn Digitalisierung ist in Deutschland nach wie vor ein leidiges Thema: Während hierzulande der geplante digitale Ausweis "ID Wallet" kläglich scheiterte, führen Länder wie Österreich den digitalen Führerschein erfolgreich ein (siehe S. 28). Und dort funktioniert er einfach: für jedermann durchschaubar, ganz geradlinig, ohne technische Verrenkungen.

Wilhelm Drehling

Wilhelm Drehling

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