c't 3/2023
S. 50
Vorsicht, Kunde
Mobilfunkvertrag
Vorsicht Kunde

Freischaffend

Freenet ignoriert vertragliche Zusagen

Wer Vertragsangebote macht, ist daran gebunden, sobald der Vertragspartner sie annimmt. Beim Mobilfunk-Vermittler Freenet kann man darauf aber nicht immer vertrauen.

Von Tim Gerber

Tobias A. wollte seinen Mobilfunkvertrag bei Freenet zu dessen Ablauf Ende November kündigen und hatte dies dem Unternehmen auch bereits mitgeteilt. Am 13. November erhielt er den Anruf eines Mitarbeiters, der ihm im Rahmen einer Rückgewinnungsaktion zwei verschiedene Vertragsoptionen anbot. Bestandteil beider war eine Abschlussprämie in Form einer Apple Watch. Den angebotenen Tarif „Magenta Mobil XL 5G Vorteil mit Smartphone 10 Zoll“ für monatlich 86,46 Euro fand Tobias A. reizvoll, weil darin auch die von ihm präferierte MultiSIM enthalten war. Also nahm er das Angebot direkt im Gespräch an, was Freenet zu Nachweiszwecken aufzeichnete.

Wenige Tage später erhielt Tobias A. auch eine schriftliche Vertragszusammenfassung, in welcher allerdings die beiden MultiSIM des Kunden zu jeweils 4,95 Euro im Monat zusätzlich aufgeführt waren. Das wich zwar von den telefonisch besprochenen Konditionen ab, war für den Kunden aber immer noch günstig, sodass er keinen Einwand erhob.

Das änderte sich aber schlagartig, als am 18. November eine Rechnung von Freenet über insgesamt knapp 160 Euro eintraf. Die enthielt neben vielen vereinbarten Posten auch Gebühren von zwei MultiSIM. Anstelle der vereinbarten 4,95 Euro sollten diese aber nun jeweils knapp 30 Euro kosten. Zunächst wandte sich der Kunde telefonisch an Freenet und schilderte dem Kundendienst, zu welchen Bedingungen er den Vertrag geschlossen hatte und welche Beanstandungen er an der Rechnung folglich geltend zu machen hätte. Auf die Aufzeichnungen des Gesprächs zu dem Vertragsabschluss habe man leider keinen Zugriff, bekam er bei seinen Anrufen am 22. und 26. November zu hören, der Kundenservice wolle sich aber um sein Anliegen kümmern.

Doch die erwartete Nachricht über eine Rechnungskorrektur blieb aus. Deshalb wandte sich Tobias A. am 29. November per E-Mail an das Unternehmen und schilderte abermals seine Beschwerde über die zu hohe Rechnung. Am 1. Dezember erhielt er eine Antwort. Darin entschuldigte sich Freenet zunächst für „die Fehlinformationen im Zuge der Beratung“. Der zuständige Vorgesetzte sei bereits informiert worden, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Von den nachweislich vereinbarten 4,95 Euro pro MultiSIM wollte Freenet nun aber nichts mehr wissen. Stattdessen hieß es nun: „Wie auf der Servicepreisliste ersichtlich, fällt je MehrfachSIM-Karte im Tarif ‚Magenta Mobil XL Vorteil‘ eine monatliche Gebühr von 29,95 Euro an.“

Unkulant

Aus „Kulanz“ bot man dem Kunden einen Rabatt von jeweils 5 Euro pro MultiSIM an, statt der vereinbarten 4,95 Euro sollte er also immer noch 24,95 Euro pro Karte und Monat zusätzlich zum Grundpreis bezahlen. Die eSIM in der Apple Watch kann er mit diesen Konditionen gar nicht nutzen, weil maximal zwei MultiSIM zu bekommen sind.

Wenn er mit diesem Kulanzangebot nicht einverstanden sei, könne er seine Vertragsverlängerung stornieren, müsste dann freilich auch die erhaltene Smartwatch zurücksenden. Zudem würde sein Mobilfunkvertrag dann zu den bisherigen Konditionen fortgeführt.

Die Vertragszusammenfassung, die Tobias A. im Anschluss an das Vertragsgespräch am Telefon erhalten hatte, weist die Preise für seine MultiSIM unmissverständlich aus. Gegenüber allgemeinen Preislisten hat sie als individuelle Vereinbarung eindeutig Vorrang.
Die Vertragszusammenfassung, die Tobias A. im Anschluss an das Vertragsgespräch am Telefon erhalten hatte, weist die Preise für seine MultiSIM unmissverständlich aus. Gegenüber allgemeinen Preislisten hat sie als individuelle Vereinbarung eindeutig Vorrang.

Darüber war Tobias A. ziemlich erbost und antwortete Freenet noch am selben Tag: Er sehe in dem Telefonat vom 14. nicht etwa einen „Beratungsfehler“, wie der Kundendienst es bezeichnet hatte, sondern eine wirksam geschlossene vertragliche Vereinbarung. „Ihr heutiges Schreiben deute ich als Versuch, die Vertragsbedingungen erneut nachträglich zu meinem Nachteil zu verändern“, entrüstete sich der Kunde. Man solle ihm daher zunächst bestätigen, dass der am 14. November telefonisch geschlossene Vertrag zu den von ihm beschriebenen Konditionen wirksam zustande gekommen sei.

Eine Woche später, am 7. Dezember, erhielt Tobias A. die Antwort: Man müsse ihn erneut darauf hinweisen, dass eine Umsetzung der vereinbarten Konditionen nicht möglich sei. Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich nach Auffassung von Freenet „eindeutig um eine Fehlinformation im Zuge der Beratung“. Dem Wunsch des Kunden entsprechend habe man dessen Widerruf aber nun umgesetzt. Er möge die erhaltene „Apple Watch S8 Ultra Titan ocean midnight“ zurücksenden.

Sofern sie nicht spätestens 16.12.2022, also innerhalb einer Woche, bei Freenet eingehe, ginge man davon aus, dass er die Apple-Watch behalten möchten. Dann würde man sie ihm zum regulären Listenkaufpreis in Rechnung stellen. „Der Betrag in Höhe von 1.009,00 Euro abzüglich Ihrer bereits geleisteten Zuzahlung von 1,00 € wird, mit einem Zahlungsziel von 30 Tagen, von Ihrem Bankkonto eingezogen“, war die unmissverständliche Drohung, sollte sich der Kunde dem Diktat nicht beugen wollen.

Fragen zur Verbindlichkeit

Tobias A. leuchtete nicht ein, dass Freenet sich so mir nichts, dir nichts aus dem wirksam abgeschlossenen Vertrag verabschieden wollte. Umgekehrt würde man den Kunden solche Irrtümer ja auch nicht durchgehen lassen, sondern auf die vereinbarte Zahlung für die gesamte Vertragslaufzeit bestehen. Am 10. Dezember wandte sich Tobias A. deshalb mit der Sache an c’t und reichte sämtliche schriftliche Unterlagen zu dem Vorgang ein.

Da die Vertragszusammenfassung eindeutig war, wandten wir uns am 12. Dezember an die PR-Abteilung von Freenet mit der Frage, warum sich das Unternehmen nicht an seine vertraglichen Zusagen gebunden fühlte. Am 16. Dezember antwortete uns ein Unternehmenssprecher: In diesem Fall liege offenkundig eine falsche Beratung und Administration des gewünschten Vertragsverhältnisses vor. Selbstverständlich sei der Kunde nur zur Zahlung der bei der Vertragsverlängerung vereinbarten Konditionen verpflichtet. Man habe den Fall dem Qualitätsmanagement zur Verfügung gestellt, mit der Bitte den Sachverhalt zu prüfen und geeignete Maßnahmen wie Nachschulungen und Prozessoptimierungen zu veranlassen.

Man habe bereits erneut mit Tobias A. gesprochen und seine Vertragsverlängerung zu den vereinbarten Konditionen wieder aktiviert. Er bekomme zwei neue MultiSIM-Karten, die zwischenzeitlich bereits versendet worden seien. Nach deren Aktivierung je SIM-Karte würden ihm für 24 Monate je 4,95 Euro berechnet werden. Für die ihm entstandenen Unannehmlichkeiten habe der Kunde noch eine Gutschrift in Höhe von 50 Euro erhalten.

Tatsächlich hatte Tobias A. bereits am Tag zuvor einen Anruf erhalten, bei dem ihm derartiges zugesagt worden sei. In der anschließend versandten Bestätigung habe davon allerdings nichts gestanden, sondern sei lediglich der Basistarif enthalten gewesen. Ob sich Freenet diesmal vollständig an seine Zusagen halten wird, stand zu Reaktionsschluss noch nicht fest.

Immerhin hat Freenet den eigenen Fehler am Ende unumwunden zugestanden. Allerdings erst, nachdem wir als Presseorgan nachgefragt haben und eine Veröffentlichung anstand. Dem einzelnen Kunden gesteht man derartige Einsichten in aller Regel nicht zu. Dabei sind es unternehmerische Entscheidungen, die dazu führen, dass unzureichend geschulte Mitarbeiter Verträge um jeden Preis abschließen, und dabei allerhand Zusagen machen, von denen dann später niemand mehr etwas wissen will. Wer solche Unternehmensstrategien verfolgt, muss am Ende auch das unternehmerische Risiko selbst tragen. (tig@ct.de)

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