c't 28/2023
S. 3
Standpunkt

Gaia-X: Ein Opfer des Ressortprinzips

Gaia-X, da dürften bei den meisten IT-Interessierten dunkle Erinnerungen an ein nebulöses Projekt der Bundesregierung aufploppen. Irgendwas mit Cloud, aber europäisch, also etwas teurer als bei den Amis, dafür ohne NSA.

Viel klarer lässt sich auch leider nicht sagen, was Gaia-X sein sollte. Denn als Wirtschaftsminister Peter Altmaier das Projekt 2019 vorstellte, blieben seine Ausführungen schwammig und widersprüchlich. Er versprach eine "souveräne europäische Dateninfrastruktur". Die heimischen Anbieter wollte er stärken, aber Microsoft & Co. bloß nicht ausschließen. Einen "Airbus der künstlichen Intelligenz" streute er auch noch ein.

Auch später, als europäische Konzerne wie die Telekom das Ruder bei Gaia-X übernahmen, blieb das Konzept wolkig. Interoperable Clouddienste, Datenräume, Datenschutzanforderungen und Label, ein System vernetzter Kataloge... Gaia musste für all das und noch mehr herhalten.

Die US-Hyperscaler wie Microsoft und Amazon nutzten das Durcheinander gekonnt aus. Sie meldeten sich bei Gaia-X an und filibusterten mit unzähligen Vorschlägen. Gleichzeitig kaperten sie den Slogan der "digitalen Souveränität" und werben nun selbst mit "souveränen Clouds". Marketing konnten sie schon immer.

Ein Problem ist aber auch das Ressortprinzip der Bundesregierung: Erfunden wurde Gaia-X vom Wirtschaftsministerium. Bei der IT-Strategie haben jedoch andere Ressorts das Sagen, allen voran Finanzen und Inneres. Und diese wollen von Gaia-X nichts wissen. Statt mit EU-Providern Open-Source-Clouddienste aufzubauen, setzen sie sich lieber bei den Hyperscalern in den goldenen Käfig. Zum Beispiel fädelte das Finanzministerium eine Microsoft-Cloud für Bund und Länder ein. Das Innenministerium schloss einen 3,9-Milliarden-Euro-Deal mit Oracle. Zum Vergleich: Für Projekte im Gaia-X-Umfeld gibt es rund 300 Millionen Euro Fördergelder.

An Gaia-X glaubt deshalb fast keiner mehr, obwohl Teilprojekte inzwischen durchaus Erfolge vorweisen (siehe S. 116). Bleibt zu hoffen, dass die Ministerien bei künftigen Digitalprojekten zur Abwechslung auch mal zusammenarbeiten. Und dass Trump nicht wieder gewählt wird und der Bundesregierung beim nächsten Handelsstreit einfach den Stecker zieht.

Christian Wölbert
Christian Wölbert

Christian Wölbert

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