c't 27/2023
S. 166
Story
Exklusive Paradiese
Bild: KI Midjourney | Bearbeitung c’t

Exklusive Paradiese

Der Tod hat seinen Schrecken verloren: Dank einer geeigneten Schnittstelle kann sich das Bewusstsein im Sterbefall rechtzeitig davonmachen, um in digitalen Seelen-Themenparks weiterzuleben. Und wer wäre besser geeignet dazu, deren Server zu betreiben, als clevere und verantwortungsbewusste Versicherungsunternehmen?

Von Gerd Schmidinger

Wie in Trance verließ Ronja ein letztes Mal ihren Arbeitsplatz. Fünfundzwanzig Jahre hatte sie dort verbracht, fünf Tage die Woche, im Kindergarten „Rappelkiste“.

Sie hatte ihre Arbeit mit Leidenschaft verrichtet und mit Mühe. Die anfängliche Begeisterung wurde zu einem ruhig dahin strömenden Fluss, den in den letzten Jahren die Mühe schleichend zuschüttete. Die Kinder waren noch immer erfrischend und voller Zauber – aber irgendwie zunehmend beladen von den Nöten der Erwachsenen. Oder war es normal, dass sich Fünfjährige darum sorgten, ob sie noch gebraucht würden in einer vollkommen technisierten Welt? Dabei verstand sie sie ja, die Kleinen: Sie selbst hätte ja ebenfalls keinen anderen Job mehr gefunden. „Etwas mit Menschen“, das war das Einzige, was übrigblieb, außer den Jobs als System-Administratorin oder KI-Spezialistin. Etwas mit Menschen. Es hatte mal eine Zeit gegeben, als Menschen noch freiwillig Zeit miteinander verbrachten, nicht nur, wenn sie dafür bezahlt wurden.

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