c't 26/2023
S. 92
Internet & Digitalisierung
Verbraucherschutz

Vertrackt

Aktuelle Trends beim Verbraucherschutz

In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde“ berichten wir in jeder Ausgabe über einen besonders eklatanten Fall der Missachtung von Verbraucherrechten. Dabei tauchen immer mal wieder neue Muster der Verfehlungen auf, insbesondere wenn Gesetze geändert wurden oder aktuelle Entwicklungen wie Pandemie oder Inflation ihren Tribut fordern. Manch unguter Trend hält sich jedoch auch über viele Jahre ungebrochen.

Die Corona-Jahre haben dem Onlinehandel einen kräftigen und weiter anhaltenden Boom beschert. Eine Folge davon ist ein Mangel an Fachkräften im Bereich Lager und Logistik, wie eine Auswertung von rund 45 Millionen online geschalteten Stellenanzeigen der Jahre 2019 bis 2023 durch die Bertelsmann-Stiftung zeigt. Die Kunden bekommen dies durch längere Liefer- und Reaktionszeiten im Kundenservice zu spüren.

Der in Ausgabe 23 dieses Jahres geschilderte Fall eines mangelhaften E-Bikes aus dem Online-Store von Aldi-Süd markiert dabei einen Trend, der sich auch im kommenden Jahr fortsetzen dürfte: Erst war die begehrte Ware wochenlang nicht lieferbar und das für die Sommerzeit gedachte Fahrrad kam erst im Herbst. Dann stellte sich im nächsten Sommer heraus, dass der Akku nicht ansatzweise die spezifizierte Reichweite erreichte. Schließlich wurde die Reklamation wegen Urlaubs und Personalmangels wochenlang nicht bearbeitet.

Zu allem Unglück kam dann auch noch eine weitere typische Mangelerscheinung hinzu: nicht lieferbare Ersatzteile. Auf ein endloses Warten muss man sich in solchen Fällen aber nicht einlassen. Der Verkäufer muss in jedem Fall mangelfreie Ware liefern. Kann er die Mängel an der gelieferten Ware nicht innerhalb vernünftiger Fristen abstellen, muss er eben neue, mangelfreie Ware liefern.

Wahlrecht ausüben

Eigentlich hat der Kunde von Anfang an die Wahl, ob er eine Reparatur (im Gesetzesjargon Nachbesserung genannt) oder eine Neulieferung wünscht. An die Wahl des Kunden ist der Verkäufer gebunden. Tritt ein Sachmangel auf, sollte man dem Verkäufer am besten schriftlich und unmissverständlich mitteilen, welche Form der Nachbesserung man wünscht.

Die mangelhafte Ware muss man dem Verkäufer bei beiden Varianten zunächst zur Prüfung des Mangels überlassen und ihm eine angemessene Frist dafür einräumen. Was angemessen ist, richtet sich danach, wie die Ware und der Mangel konkret beschaffen sind und wie aufwendig sich die Prüfung für den Verkäufer gestaltet. Unter zwei Wochen kommt man da kaum weg, bei einem komplexen Produkt wie einem Pkw gesteht die Rechtsprechung dem Verkäufer auch deutlich mehr Zeit zu.

In für sie kniffligen Fällen versuchen Verkäufer gern, sich ganz aus der Affäre zu ziehen, indem sie dem Kunden einfach den Kaufpreis erstatten. Rechtlich zulässig ist das ohne Einverständnis des Kunden nicht. Denn der zwischen Kunden und Lieferanten geschlossene Kaufvertrag ist weiterhin gültig.

Die Position des Kunden ist da deutlich besser: Er kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Verkäufer einen Sachmangel nicht in angemessener Zeit beseitigt.

Preistreiber

Von steigenden Preisen sind manche Telekommunikationsunternehmen offenbar auch nach der x-ten Zinserhöhung noch immer überrascht. Jedenfalls lassen sie nichts unversucht, bei ihren Kunden nachträglich höhere Tarife abzukassieren. Dabei buhlt man lange nach dem Preisschock in Folge des Krieges in der Ukraine unverändert noch immer mit Lockangeboten um Kunden. Anschließend möchte man ihnen mit Verweis auf die hohen Energiekosten die satten Rabatte wieder streitig machen. Dem Treiben haben allerdings Verbraucherschützer mithilfe der Gerichte einen Riegel vorgeschoben.

Provider 1&1 wollte dennoch bei einem Kunden seine erhöhten Entgelte kassieren, obwohl man dessen Widerspruch gegen die Preiserhöhung schriftlich akzeptiert und eine Vertragsfortsetzung zu den bisherigen Konditionen zugesichert hatte. Nachdem wir den Fall für Ausgabe 22/2023 recherchiert hatten, entpuppte sich das dann wie so oft als pures Missverständnis.

IT-Pannen

Immer wieder machen Kunden auch IT-Pannen großer Unternehmen zu schaffen. Auch hier dürfte der Fachkräftemangel sein Übriges tun. Rasche Problemlösungen sind meist nicht in Sicht. Prominentestes Beispiel für diesen Trend war die Deutsche Bahn mit ihren Vertriebsproblemen beim Deutschlandticket. Die regelmäßige Bereitstellung des Abo-Tickets in der App zum Beginn eines Monats klappt mal und mal auch nicht oder nur manuell durch Eingabe der Abo-Nummer.

Was klappt, ist der monatliche Einzug, gern auch mehrmals für denselben Fahrgast. Ebenso reibungslos erfolgt dann das – freilich vollkommen grundlose – automatisierte Inkasso. In zwei Fällen mussten wir in den vergangenen Monaten über das unangemessene Vorgehen des Staatskonzerns berichten, stellvertretend für sehr viel mehr Betroffene, die sich an uns gewandt hatten. Typisch nicht nur bei der Bahn ist, dass E-Mails nicht beantwortet wurden.

Auch dafür dürften Kosten und zusehends auch ein Mangel an Personal ursächlich sein. Immer mehr Unternehmen versuchen inzwischen, bereits aus Kunden-Chats bekannte Algorithmen auch zur Beantwortung von Kundenmails einzusetzen. Gern verkauft man das trendig als KI, auch wenn die Systeme weit davon entfernt sind, auch nur Spuren von Intelligenz aufzuweisen.

Bezos’ verschlossene Auster

Aber auch wo noch Menschen Hand anlegen, ist nicht sicher, dass der Umgang mit dem Kunden von Intelligenz bestimmt wird. Einen Sonderpreis in Ignoranz verdient sich regelmäßig der Online-Handelsriese Amazon. Bis zum Jahresbeginn sahen sich viele Kunden noch mit augenscheinlich von Kriminellen innerhalb der Logistikkette des Konzerns verursachten Fehllieferungen konfrontiert: Statt hochwertiger Smartphones kamen minderwertige Zahnpasta oder Duschgels an. Und oftmals versuchte Amazon, die betroffenen Kunden die Zeche für den Betrug zahlen zu lassen: Man forderte die Kunden auf, für eine Kaufpreiserstattung den „richtigen“ Artikel einzusenden, den sie aber nie erhalten hatten.

Über die Hintergründe solcher Pannen schweigt sich Amazon notorisch aus. Immerhin: Zuschriften zu solchen Fällen sind inzwischen deutlich spärlicher geworden. Wir schlussfolgern daraus, dass Amazon das Problem inzwischen halbwegs im Griff zu haben scheint. In einem anderen Fall (Ausgabe 21/2023) hatte der Kunde über den Amazon-Marktplatz ein gebrauchtes Buch für zirka 10 Euro verkauft, es abgeschickt und einen Zustellungsnachweis vorgelegt. Trotzdem wollte Amazon ihm den Erlös vorenthalten. Erst auf Nachfrage unsererseits bekam der Kunde dann doch noch sein Geld. Nachvollziehen lassen sich solche Vorgänge nicht, Amazon bleibt auch da wie stets jeden Erklärungsversuch schuldig. Sonderlich vertrauenserweckend ist das nicht.

Obwohl der Glasfaseranschluss eines Kunden alles andere als fertiggestellt war, kündigte sein Provider bereits den bisherigen DSL-Anschluss., Foto: Markus B.
Obwohl der Glasfaseranschluss eines Kunden alles andere als fertiggestellt war, kündigte sein Provider bereits den bisherigen DSL-Anschluss.
Foto: Markus B.

Im Rausch der Glasfaser

Auch der immerhin in vielen Regionen erfreulich voranschreitende Glasfaserausbau fordert mitunter das ein oder andere Opfer. Meist ist es die mangelnde Kommunikation zwischen den vielen an der Realisierung beteiligten Köchen – alter und neuer Provider, Tiefbaufirma und Subsubunternehmen –, die den Betroffenen den Appetit auf den Highspeed-Anschluss gründlich verderben. In dem Fall, über den wir in Ausgabe 5/2023 berichteten, hatte O2 für seinen Glasfaserkunden dessen bisherigen DSL-Vertrag gekündigt, obwohl der Glasfaseranschluss noch gar nicht fertiggestellt war. Im System des Providers war er aber fälschlich vom Bauunternehmen als fertig hinterlegt. Ergebnis: DSL abgeschaltet und kein Internet.

Freilich hört in solchen Fällen niemand darauf, was der Kunde berichtet. Darauf ist „das System“ nicht vorbereitet. Alles läuft automatisch und im Einzelfall halt unaufhaltsam schief. Angesichts der hunderttausende Haushalte und Unternehmen, deren Umstellung auf Glasfaser noch ansteht, wird weiterhin mit solchen Pannen zu rechnen sein. Glücklicherweise scheinen sie jedoch gemessen an der Zahl der Anschlüsse relativ selten zu sein. Das lässt ausnahmsweise hoffen. (tig@ct.de)

Kommentieren