c't 25/2023
S. 3
Standpunkt
Mash

Überwachung: Vom Angreifer zum Komplizen

Als Malware-Entwickler hat man es heute nicht leicht. Ständig muss man seine Trojaner an die Updates der Virenscanner anpassen. Und mit all den KI-Spammern wächst die Konkurrenz. Dank der KI ist inzwischen ja jedes Script-Kiddie in der Lage, seine Phishing-Mails einwandfrei zu formulieren und massenhaft zu versenden. Das drückt auf unsere Margen und bedroht unser Geschäftsmodell als alteingesessene Erpresser.

Aber es entstehen auch neue Geschäftsfelder: Dank Homeoffice fürchten immer mehr Chefs, dass ihre Mitarbeiter zu Hause Däumchen drehen oder Videospiele daddeln, statt Excel-Tabellen auszufüllen und Kunden zu akquirieren. Doch diese linksversifften Arbeitsrechtler verbieten einem ja, die Webcams und Mikrofone anzuzapfen und Tastatureingaben zu protokollieren. Und dann wollen die Betriebsräte auch noch immer ein Wörtchen mitreden, wenn es um neue, innovative Methoden zur Leistungssteigerung geht. Aber wer will denn nicht das Beste aus sich herausholen und zum nächsten Mitarbeiter des Monats aufsteigen?

Und genau hier kommen wir ins Spiel: Dank unserer erprobten Tarntechniken sind wir heute in der Lage, Überwachungsprogramme zur Verfügung zu stellen, von denen kein Schwein merkt, dass sie auf den Rechnern installiert wurden. Wir lassen uns die Spionage sogar bezahlen und werden ganz offiziell über die Fernadministration verteilt. Die Admins tragen gar Ausnahmen der Virenscanner für uns ein. Wie geil ist das denn?

Unbemerkt von Mitarbeitern, Betriebsrat und Gewerbeaufsicht kontrolliert der Chef von Welt mit unseren Tools seine Belegschaft. Für die nächste Rationalisierungsrunde haben wir gleich die passenden Statistiken parat. Da genügen bereits ein paar Metadaten, um herauszufinden, wer im Betrieb gut vernetzt ist und wer isoliert.

Und bitte nicht verraten: Auch wir protokollieren alles mit. Die abgeschöpften Daten landen in unserer KI. Wer weiß, ob wir damit nicht später selbst in die Branche einsteigen oder unsere Erkenntnisse an die Konkurrenz verkaufen? Glauben Sie bloß nicht, was ab Seite 18 alles über uns geschrieben steht. Wir sind ehrbare Leute!

Hartmut Gieselmann
Hartmut Gieselmann

Hartmut Gieselmann

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