c't 23/2023
S. 49
Aktuell
Greenwashing-Vorwurf an Apple
Bild: Christoph Dernbach/dpa

Von wegen CO2-neutral

Umweltexperten werfen Apple Greenwashing vor

Die neue Watch soll Apples erstes CO2-neutrales Produkt sein. Umweltexperten des New Climate Institute haben die Zahlen unter die Lupe genommen und gängige Greenwashing-Praktiken gefunden.

Von Hartmut Gieselmann

Mit einer Marktkapitalisierung von 2,6 Billionen US-Dollar ist Apple derzeit das wertvollste Unternehmen der Welt. Wenn ihr Chef Tim Cook (Bild) ankündigt, mit der neuen Apple Watch zum ersten Mal ein IT-Produkt CO2-neutral zu produzieren und bis zum Jahr 2030 die gesamte Produktpalette CO2-neutral herstellen zu wollen, dann hat das eine Signalwirkung weit über die IT-Branche hinaus. Adressaten sind nicht nur Kunden, die umweltfreundliche Produkte bevorzugen, sondern auch Anleger und Fonds, die ihr Geld lieber in grüne Unternehmen investieren.

Betrachtet man die Umweltberichte genauer, offenbaren sich Bilanztricks. Apple behauptet, für die Watch werde zu „100 Prozent sauberer Strom für Herstellung und Produktnutzung“ aufgewendet. Man habe mindestens 75 Prozent der Emissionen eingespart. Die restlichen 25 Prozent kompensiere man durch „hochwertige“ CO2-Emissionszertifikate, rechnet Apple vor.

Das New Climate Institute wertet die Aussagen jedoch als „irreführende Werbung“. Denn schaut man sich Apples Umweltbericht an, vermisst man genaue Angaben zu den Zulieferern, die für Apple die Watch oder auch das iPhone produzieren. Und verfügbare Zahlen passen wiederum nicht zum Bild, das Apple in seiner Werbung vermittelt. Zu den großen Auftragsfertigern gehören beispielsweise die chinesischen Hersteller Pegatron und Foxconn (Hon Hai Precision). Laut eigenem Umweltbericht bezog Pegatron im Jahr 2021 weniger als 6 Prozent seines Stroms aus regenerativen Quellen wie Solarzellen auf den Fabrikdächern oder chinesischen Wasserkraftwerken. Bei Foxconn lag der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien im Jahr 2022 bei gut 8 Prozent – er nahm seit 2020 sogar von über 12 Prozent ab.

Trotz dieses negativen Trends listet Apple Foxconn und Pegatron unter den mehr als 300 Zulieferern, die sich verpflichtet haben, bis 2030 alle Apple-Produkte mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu produzieren. Dieses Versprechen kann nach Ansicht des New Climate Institute nur dann eingehalten werden, wenn Apple den ohnehin geringen Ökostromanteil der Zulieferer vollständig auf seinen Produktionsanteil anrechnet. Für die Umwelt wäre mit einem solchen Rechentrick jedoch nichts gewonnen, denn der Anteil der mit fossilem Strom produzierten Güter würde bei den anderen belieferten Unternehmen in dem Maße steigen, wie er Apple nicht mehr angerechnet würde.

Zulieferer ohne Überblick

Auf zahlreiche Nachfragen von c’t, wie Apple seine Umweltzahlen und die seiner Zulieferer (die sogenannten Scope-3-Emissionen) genau berechnet, gab der Konzern auch nach zwei Wochen keine Antwort. Da in Fußnoten auch schon mal das Wort „estimate“ auftaucht, könnte es sich um Schätzwerte handeln.

Sicherlich ist es nicht einfach, genaue Zahlen zu ermitteln, wenn man wie Apple allein aus Europa von über 4000 Firmen beliefert wird. Und diese haben wiederum Tausende von Zulieferern. So schreibt Pegatron in seinem jüngsten Umweltbericht, dass man seit sechs Jahren versuche, den genauen Anteil von Kobalt sowie Metallen aus Konfliktgebieten wie Zinn, Gold, Wolfram oder Tantal zu schätzen. Bisher hätten 1087 von 1493 Zulieferern Angaben dazu gemacht – die Recherche dauere an, heißt es in dem Bericht. Die von Apple angegebene CO2-Einsparung von 34 Prozent einer Series 9 gegenüber einer Apple Watch von 2015 ist daher mit vielen Fragezeichen zu versehen.

Die verbleibenden 29 Kilogramm CO2-Belastung pro Apple Watch will der Konzern über Emissionszertifikate ausgleichen. Das New Climate Institute widerspricht der angeblichen „Hochwertigkeit“ dieser Zertifikate und kritisiert, dass sie unter anderem Wälder anrechnen, die potenziell hätten gerodet werden können. Das in Wäldern gebundene CO2 könne zudem bei einem Brand schnell wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden und sei damit qualitativ schlechter verstaut als in unterirdischen Kohleflözen oder Erdölfeldern. Zudem gibt es handfeste Belege dafür, dass Emissionszertifikate weltweit mehrfach ausgegeben werden. Laut einer Studie des New Climate Institute belegen alle geschützten Grünflächen solcher Green Bonds zusammengenommen derzeit viermal den verfügbaren Platz auf der Erde.

Allein das Stehenlassen eines Waldes senkt nicht den CO2-Ausstoß der Produktion. Dieser stieg mit leistungsfähigeren iPhones, iPads, Macs und Watches und deren höheren Speicherausbauten an: Kam ein iPhone 13 mit 256 MByte noch mit 71 kg CO2 aus, so sind es beim aktuellen Spitzenmodell iPhone 15 Pro Max mit 1 TByte Speicher laut Apple bereits 110 kg CO2. (hag@ct.de)

Umweltberichte: ct.de/ykvp

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