c't 23/2023
S. 42
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Intel setzt ganz auf KI, 7-Nanometer-Technik in China

288 CPU-Kerne hat der Xeon-Prozessor „Sierra Forest“, den Intel 2024 vorstellen will. Mit dieser Ansage will Intel Stärke zeigen. Der größte chinesische Chipfertiger SMIC ist technologisch weiter als erwartet.

Von Christof Windeck

Künstliche Intelligenz ist überall: Unter dieses Motto stellte Intel die Veranstaltung Intel Innovation 2023 im kalifornischen San Jose. Intel-Chef Pat Gelsinger wollte dort vor allem beweisen, dass sein Unternehmen auf dem Gewaltmarsch „fünf Generationen der Halbleiterfertigung in vier Jahren“ (five nodes in four years) gut vorankommt: Am 14. Dezember – also so gerade eben noch im versprochenen Jahr 2023 – kommt der Core Ultra alias Meteor Lake in der Fertigungstechnik „Intel 4“, die Intel 7 ablöst; 2024 folgen Intel 3 und Intel 20A und 2025 dann Intel 18A. Damit will Gelsinger TSMC übertrumpfen, denn er kennt nur drei Arten von Chipherstellern: riesige, nischige oder tote (big, niche, or dead). Deshalb wettet er 100 Milliarden US-Dollar auf „big“.

Zu Gelsingers Leidwesen passen Umsatz und Produktpalette – außer bei den Core-Prozessoren – noch nicht ganz zum Anspruch, vor allem die einst glänzende Serversparte schwächelt. Daher ist der Knalleffekt mit dem 288-Kern-Prozessor Sierra Forest gut gesetzt: Es sind zwar kompakte „E“-Kerne, aber Cloud-Hyperscaler kaufen sicherlich gerne Zwei-Sockel-Server mit 576 x86-Kernen und 48 Speicherfassungen.

Intel-Chef Pat Gelsinger inszeniert sich gerne als „Geek“ und schwärmte auf der Innovation 2023 von der Schönheit seiner Computerchips., Bild: Intel
Intel-Chef Pat Gelsinger inszeniert sich gerne als „Geek“ und schwärmte auf der Innovation 2023 von der Schönheit seiner Computerchips.
Bild: Intel

Was nicht zum KI-Motto passt, kam auf der Innovation 2023 nicht oder nur am Rande vor, etwa der im Oktober erwartete Core i-14000 (es war sowieso fast keine Desktop-PC-Technik zu sehen) und der seit 2018 mit gewaltigem Brimborium mehrfach angekündigte Rechenbeschleuniger Ponte Vecchio alias Xeon Data Center GPU Max. Er wurde zwar schon Ende 2022 „eingeführt“ und wird den Supercomputer Aurora befeuern, doch zu ihrem mit Ponte Vecchio bestückten Server schreibt die Firma Supermicro knapp: „coming soon“. Kaufen kann man hingegen den von TSMC gefertigten KI-Beschleuniger Gaudi2 der von Intel 2019 übernommenen Firma Habana Labs aus Israel. Damit will Intel jetzt vom KI-Rausch profitieren und zwar durch den im Vergleich zum Nvidia H100 deutlich günstigeren Preis.

Software verkauft Hardware

Intel flog wie zu Zeiten des bis 2016 veranstalteten Intel Developer Forum (IDF) mehr als 80 Journalisten und Analysten aus aller Welt nach Kalifornien ein, darunter auch mich. Die zweitägige Veranstaltung im McEnery-Konferenzzentrum in San Jose war gut besucht, auch von Software-Entwicklern. Denn Intel bietet sehr viel Software sowie eine Developer-Cloud an, damit Entwickler die Rechenleistung der Hardware möglichst einfach ausreizen können. Letztlich nützt nämlich der beste Chip nichts, wenn die Software nicht gescheit läuft. Mit seiner Software-Offensive will sich Intel auch Konkurrenten wie AMD und Qualcomm vom Leib halten, die für ihre jeweiligen Notebookprozessoren mit KI-Beschleunigern angeblich viel weniger Code-Auswahl bieten. Und tatsächlich: Intel konnte viel mehr kommende KI-Anwendungen für Windows-Notebooks ankündigen als bisher AMD. Ob sich viele europäische Käufer allerdings auf einen Datenschutzalbtraum wie Rewind.ai freuen, ist fraglich: Die Software schreibt sämtliche Aktivitäten am Notebook mit, belauscht auf Wunsch auch das Mikrofon, und legt die Informationen als durchsuchbare Daten ab. Immerhin sollen sie auf der lokalen SSD bleiben und nicht in die Cloud wandern.

7-Nanometer-Chip aus China

Aufsehen erregte vor allem in den USA ein Anfang September erschienener Bericht über den 7-Nanometer-Smartphonechip Kirin 9000S der Huawei-Sparte HiSilicon, weil ihn der chinesische Auftragsfertiger SMIC produziert hat. Ein vergleichsweise simpel aufgebauter Bitcoin-Mining-Chip mit 7-Nanometer-Technik von SMIC wurde im Sommer 2022 noch belächelt, aber den Kirin 9000S schätzen Experten von TechInsights als konkurrenzfähig ein. Man vermutet, dass SMIC große Teile der 7-Nanometer-Technik von TSMC abgekupfert hat; jedenfalls hatte SMIC viele TSMC-Mitarbeiter abgeworben, darunter den hochrangigen Manager Liang Mong Song, der einst auch in Berkeley studierte. Viele der für die Technik nötigen Fertigungsanlagen hat SMIC wohl schlichtweg bei der niederländischen Firma ASML gekauft, sie fielen bis dahin auch nicht unter US-Exportverbote. (ciw@ct.de)

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