c't 23/2023
S. 3
Standpunkt
Bild: mash

Greenwashing: Verdienen Sie mit!

Bis 2030 wollen Apple und andere IT-Riesen CO2-neutral werden. Da sie den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte aber nicht wirklich auf null reduzieren können, kaufen sie Emissionszertifikate. Beliebt ist zum Beispiel der Schutz von Wäldern, die potenziell abgeholzt werden könnten. Lässt man sie stehen, kann man das darin gebundene CO2 als Zertifikat an Unternehmen verkaufen, die damit den Verbrauch fossiler Energieträger in ihren Bilanzen schönrechnen.

Die Sache mit den Wäldern hat nur einen Haken: Die Zertifikate sind so beliebt, dass man mittlerweile vier Erden bräuchte, um alle durch Zertifikate geschützten Grünflächen unterzubringen (siehe S. 49). Sobald sich das herumspricht und Wälder wieder out sind, wird die Nachfrage nach anderen Umweltzertifikaten durch die Decke gehen.

Und hier kommt meine Geschäftsidee: Jeden Tag, an dem ich im Homeoffice arbeite oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, lasse ich mir die 14 Kilometer hin und zurück als eingespartes CO2 gutschreiben und verkaufe dafür Zertifikate. Schließlich könnte ich die Strecke theoretisch auch mit einem Mercedes ML 63 AMG zurücklegen. Der bläst 392 Gramm CO2 in die Umwelt – pro Kilometer. Das macht bei 14 Kilometern am Tag, 220 Arbeitstagen im Jahr und einem Preis von 24 Cent pro Kilogramm CO2 (Kostensatz laut Umweltbundesamt) summa summarum 290 Euro Zuverdienst für virtuell eingespartes Treibhausgas.

Und damit nicht genug: Im zweiten Schritt rechne ich jeden Urlaub, den ich nicht auf die Galapagos-Inseln geflogen bin, jeden Flachbildschirm und jedes Smartphone, das ich mir pro Jahr nicht neu gekauft habe, ebenfalls in eingesparte CO2-Kilos um. Das Spiel lässt sich quasi endlos fortsetzen.

Damit polstere ich nicht nur mein Gehalt auf, sondern rette gleichzeitig die zertifikathungrige IT-Industrie, damit sie weiter wachsen und Aktionäre glücklich machen kann. Win – win – win.

Hartmut Gieselmann
Hartmut Gieselmann

Hartmut Gieselmann

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