c't 1/2023
S. 3
Standpunkt

Microsoft 365: Auf eigene Gefahr

Da ist er wieder, der Datenschutz als Fortschrittsbremse: Deutsche Unternehmen und Schulen wollen doch nur unbehelligt die Onlinedienste von Microsoft nutzen. Und erneut kommen die deutschen Datenschutzbeauftragten um die Ecke. Microsoft erkläre seinen Kunden nicht ausreichend, wie es all die im Online-Office und bei der Kommunikation in Teams anfallenden Daten verarbeitet. Deshalb sei kein datenschutzgerechter Einsatz von Microsoft 365 möglich.

Und dies, obwohl der US-Konzern seine Datenschutzerklärungen auf Drängen der Behörden gerade erst leicht angepasst hatte. Nun bellt er wie ein getroffener Hund (siehe S. 36). In seinem Hochmut will Microsoft eine große Errungenschaft nicht anerkennen, die seit 2018 EU-weit gilt: Nutzer von Clouddiensten haben laut DSGVO ein Recht zu erfahren, wohin all ihre persönlichen Daten abfließen und wer sie wie verarbeitet. Man mag das für übertrieben halten, aber es ist Gesetz. Microsoft ignoriert das, zumindest teilweise.

Gerade Microsoft: Hier geht es um einen US-Konzern, der über sein Desktop-Betriebssystem die Kunden mit allerlei Tricks in die eigene OneDrive-Cloud drängt. Der unaufgefordert die dort liegenden, teils höchst persönlichen Daten nach möglichen kriminellen Inhalten durchforstet, bei vermeintlichen Treffern seinen zahlenden Kunden dauerhaft den Onlinezugang sperrt und sie überdies noch ohne ihr Wissen der Strafverfolgung übergibt (siehe c’t 24/2022, S. 104). Klar, dass dieser Hund besonders laut bellen muss.

Dabei hat er nicht einmal etwas zu befürchten. Es ist absurd: Auf die Pfoten bekommen eher all die Kunden, die Microsoft 365 einsetzen. Unternehmen etwa können ihren Beschäftigten keine schlüssigen Informationen zum Verbleib der Daten geben, weil Microsoft als Auftragsverarbeiter diese nicht vorhält. Deshalb verstoßen sie selbst, nicht Microsoft, gegen die DSGVO. Weil die Datenschutzbeauftragten von diesem Dilemma wissen, verzichten sie seit Jahren auf Sanktionen und werden das wohl auch weiter tun. Ihnen ist klar, wie unverzichtbar Microsoft 365 geworden ist – und sie wollen nicht als Fortschrittsbremse gelten. Bei allem Gebelle weiß Microsoft, dass die Datenschützer nicht beißen werden.

Holger Bleich
Holger Bleich

Holger Bleich

Kommentare lesen (3 Beiträge)