c't 8/2022
S. 54
Aktuell
Apple

Kleine Raketenüberraschung

Apples Mac-, Monitor- und Tablet-Neuheiten

Anfang März erweiterte Apple seine Produktlinie um einige Überraschungen, darunter um den ungewöhnlichen Doppel-Chip M1 Ultra, der den neuen Mac Studio zu Workstation-Leistungen treibt. Er liefert aber nicht ganz so brachiale Rechenleistung, wie der Konzern glauben machen möchte.

Von Dušan Živadinović
Mit der kompakten Workstation Mac Studio belegt Apple, dass die Firma nicht nur über „hohe Abwärme“ der verschmähten x86-Prozessorlinie meckern kann, sondern auch Ideen hat, um es besser zu machen.
Bild: Apple

Als Apple 2020 die Abkehr vom langjährigen Prozessorlieferanten Intel verkündete, setzte sich der Mac-Hersteller selbst unter Zugzwang: Seine Ausführungen der stromsparenden ARM-Technik mussten für Notebooks und Desktops mindestens ähnliche Leistung wie Intels x86-Prozessoren liefern. Alles andere wäre blamabel. Zugleich erschien das Unterfangen wie eine waghalsige Wette, denn der Prozessorlehrling trat implizit auch gegen AMD an, den zweiten CPU-Dominator bei Notebook- und Desktop-PCs.

Nach nun eineinhalb Jahren sichtbaren Umstiegs ist klar: Apples Plan geht auf. Die Chips M1, M1 Pro und M1 Max gelten in Sachen Leistung pro Watt als die stärksten für Notebooks und Desktops und seit März schickt Apple den neuen M1 Ultra ins Rennen gegen Intels und AMDs Workstation-Prozessoren.

Jedoch fragten sich im Vorfeld manche Beobachter, mit welchen Mitteln Apple die Leistung seiner Chips steigern wollte, um zur Workstation-Liga aufzuschließen. Denn jede Architektur kommt früher oder später in eine Zwickmühle: Für mehr Leistung buttert man gerne mehr Transistoren rein, aber die brauchen Siliziumfläche. Je größer diese wird und je kleiner die Strukturen, desto häufiger entsteht bei der Produktion Ausschuss, der die Ausbeute mindert und damit die Wirtschaftlichkeit verschlechtert.

UltraFusion-Lyrik

Apple fand eine elegante Lösung: Anstatt eine noch größere Variante des M1 zu bauen, verknüpfen Apples Chip-Spezialisten – womöglich unter Mithilfe des Chip-Fertigers TSMC – zwei M1-Max-Chips über eine rasend schnelle Vermaschung (2,5 TByte/s, Die-to-Die-Interconnect). Die neuartige Architektur nennt Apple gewohnt wolkig „UltraFusion mit Silicon-Interposer“ – so geht IT-Lyrik.

Damit umgeht Apple die Nachteile ähnlicher Konzepte, bei denen zwei Chips über das Mainboard gekoppelt sind (erhöhte Latenz, reduzierte Bandbreite, höhere Energieaufnahme) und Entwickler können vom kleinsten bis zum größten M1-Chip dasselbe Programmiermodell anwenden. Der M1 Ultra sieht für Software wie ein einziger Chip aus, inklusive GPU und Unified Memory.

Den M1 Ultra spendiert Apple seiner neuen Workstation, dem Mac Studio. Im M1 Ultra stecken 20 CPU-, 48 oder 64 GPU- und 32 KI-Kerne. Je nach RAM-Ausstattung (64 oder 128 GByte) und Massenspeicherkapazität (SSD, 1 bis 8 TByte, bis zu 7,4 GByte/s schnell) kostet der Mac Studio dann zwischen 4600 und 9200 Euro. Auf den Speicher greift der M1 Ultra mit maximal 800 GByte/s zu.

Dem kompakten Gehäuse, das etwa die Grundfläche eines Mac mini bei rund dreifacher Höhe hat (20 × 20 × 10 cm), fehlen jegliche internen Erweiterungs-Slots. Wer PCIe-Steckplätze braucht, etwa für Grafikbeschleuniger oder Audiokarten, muss auf den Mac Pro mit Intel-CPU zurückgreifen. An einem M1-Tower-Modell arbeitet Apple zwar, aber es ist unklar, ob und wie darin PCIe-Slots implementiert sein könnten.

Mit 10-Gbit/s-Ethernet, ohne 6-GHz-WLAN

Nach außen geführt sind beim Mac Studio immerhin zwei Thunderbolt-4-Anschlüsse und ein SDXC-Slot (vorn) sowie vier Thunderbolt-4-, zwei USB‑A-, ein HDMI-, ein 3,5-mm-Kopfhöreranschluss und ein Ethernet-Port in moderner 10-Gbit-Ausführung (NBaseT, abwärtskompatibel). Die Thunderbolt-Schnittstellen liefern bis zu 40 Gbit/s. Zudem sind an Bord ein Bluetooth-5- und ein WLAN-Modul in Wi-Fi-6-Ausführung, aber ohne Wi-Fi 6E für das neue 6-GHz-WLAN.

Apple beschwört mit manchem Diagramm das Bild von einem überragend schnellen M1-Ultra-Prozessor. Der ist durchaus schnell, aber in der Workstation-Liga, die der Konzern ausspart, gibt es x86-Prozessoren, die ihm voraus sind – jedoch auch deutlich stromdurstiger.
Bild: Apple

Wählt man statt des M1 Ultra den im Mittel halb so schnellen Chip M1 Max, bekommt man einen Mac Studio ab 2300 Euro. Dieser weist dieselben Anschlüsse auf, bis darauf, dass die vorderen Buchsen nur gemäß USB-C arbeiten (max. 10 Gbit/s), und beim Speicherzugriff ist die M1-Max-Variante nur halb so schnell (400 GByte/s).

Auf Ryzens Fersen

Apple stellte während der Produktpräsentation diverse Diagramme vor, die den Mac Studio zum Beispiel dem Mac Pro mit Intels 16-Core-Xeon weit überlegen zeigen. Diese Vergleiche hinken aber, weil Apple keine aktuelle Hardware gegenüberstellt. Mit aktuellen Geekbench-Resultaten lässt sich die Leistung des M1 Ultra besser einordnen: Er erreicht gute 1800 Punkte im Singlethreading-Test. Aber vor allem das Multithreading-Ergebnis, bei dem alle 20 Kerne rechnen, kann sich sehen lassen: Mit 24.000 Punkten nähert sich der M1 Ultra dem 32-Kerner AMD Ryzen Threadripper 3970X, der je nach Taktfrequenz rund 26.000 bis selten 30.000 Punkte erringt.

Beide, der M1 Ultra und der Ryzen Threadripper, lassen Intels Desktop-Topmodell Core i9-12900K mit je acht Performance- und Effizienzkernen hinter sich (je nach Energiebudget rund 18.000 Punkte, übertaktet 20.000 und mehr). Beim Singlethreading liegen Intels und Apples Chip mit 1700 bis 1800 Punkten fast gleichauf.

Das klingt nicht so brachial schnell, wie Apple glauben machen will. Dennoch sind diese Ergebnisse beeindruckend, weil die CPU-Leistung trotz Doppel-Die und Interposer-Kanal mit der Anzahl der Kerne linear zunimmt: Der Zehnkerner M1 Max schafft knapp 12.000 Punkte, der Ultra das Doppelte.

Dabei arbeitet der M1 Ultra deutlich effizienter als die Konkurrenz. Das verspricht viel leisere Kühlung und senkt die Stromaufnahme. Laut Hersteller soll der Mac Studio pro Jahr rund 1000 Kilowattstunden weniger verheizen als ein High-End-PC, also bei 40 Cent pro Kilowattstunde 400 Euro geringere Betriebskosten verursachen.

M1-Chip im Tablet

Seine M1-Chipserie nutzt Apple erstmals auch für das neue iPad Air. Dabei hat sich der Konzern für eine Variante mit acht Kernen entschieden, die auch in M1-Macs zum Einsatz kommt. Apple verspricht einen Leistungssprung von 60 Prozent sowie bis zu zweimal schnellere Grafikleistung gegenüber dem A14-Chip des Vorgängers iPad Air 4.

Der USB-C-Port befördert bis zu 10 Gbit/s; das schnellere Thunderbolt bleibt dem iPad Pro vorbehalten. Vor die neue 12-Megapixel-Frontkamera hat Apple ein Ultraweitwinkel-Objektiv gesetzt. Mittels der Center-Stage-Technik folgt der Bildausschnitt dem Nutzer, wenn er sich zum Beispiel bei Videotelefonaten bewegt. Für die drahtlose Kommunikation kann man Wi-Fi 6 nutzen. Mit dem optionalen Mobilfunkmodem bucht sich das iPad Air 5 auch über 5G-Mobilfunknetze ins Internet ein.

Die übrigen Merkmale: 10,9-Zoll-Display, Fingerabdrucksensor Touch-ID, P3-Farbraum, maximal 500 Lumen Helligkeit, Gehäuse aus komplett recyceltem Alu und gemessen an heutigen Maßstäben eine nur schwache Bildwiederholrate von 60 Hertz. Der Einstiegspreis mit WLAN und 64 GByte Speicher beträgt rund 680 Euro, mit Mobilfunk sind es 850 Euro.

Tablet-Chip im Monitor

Apples neues Studio-Display liefert bei 218 dpi und einer Diagonale von 27 Zoll Auflösungen bis 5K und wird per Thunderbolt am Mac angeschlossen. Überraschend am 1749 Euro teuren Monitor ist der eingebaute A13-Prozessor, den Apple 2019 vorgestellt und ursprünglich nur für Tablets und iPhones entwickelt hatte.

Es ist zwar unklar, wie viel RAM- oder gar Massenspeicher Apple dem Display spendiert hat, aber viel dürfte es nicht sein, denn der Chip hat nur wenige Aufgaben: mittels der sechs integrierten Lautsprecher einen räumlichen Klang (Spatial Audio) erzeugen, die Audiosignale der drei „Studio Quality Mics“ verarbeiten und gemeinsam mit einem Signalprozessor den Bildausschnitt von jenen Personen nachführen, die sich vor der 12-Megapixel-Kamera bewegen (Center Stage). Der Monitor liefert per Thunderbolt bis zu 96 Watt für angeschlossene MacBooks. Die maximale Helligkeit beziffert Apple mit 600 Lumen und das Panel stellt Bilder im P3-Farbraum dar.

Einstiegs-iPhone aufgewertet

Auch das Einstiegs-iPhone hat Apple neu aufgelegt: Die dritte Generation des iPhone SE bleibt äußerlich unverändert, steckt also in einem flachen Gehäuse mit abgerundeten Kanten mit 4,7-Zoll-Display, Home-Button und Fingerabdrucksensor Touch ID. Mit dem aktuellen Chip A15 Bionic, der auch im iPhone 13 steckt, sowie einem 5G-Mobilfunkmodem wertet Apple das SE-Modell deutlich auf.

Neu sind auch Fotofunktionen, die bisher nur die Flaggschiffmodelle enthalten haben, darunter etwa Porträtbeleuchtung, kontrastreichere Aufnahmen und geringeres Rauschen. Das iPhone SE lässt sich drahtlos per Qi oder per Kabel aufladen. Für das Einstiegsmodell mit 64 GByte Speicher sind rund 520 Euro zu zahlen. (dz@ct.de)

Erste Benchmark-Ergebnisse: ct.de/y3ga

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