c't 8/2022
S. 132
Wissen
Barrierefreiheit
Bild: Albert Hulm

Stumme Dolmetscher

Web- und App-Avatare informieren Gehörlose

Barrierefreiheit im Web bedeutet, dass auch Gehörlose alle wesentlichen Informationen finden. Avatare bieten die Chance, Gebärdensprache schnell zu verbreiten, zu vereinheitlichen und in Zukunft sogar Texte simultan in Gebärden zu übersetzen.

Von Arne Grävemeyer

Virtuelle Akteure in Apps, auf Webseiten oder Anzeigetafeln sollen vermehrt mittels Gebärdensprache auch Gehörlose aktuell informieren. Im nächsten Entwicklungsschritt könnten flüssig gebärdende Avatare die Texte und gesprochenen Inhalte auf Webseiten automatisch übersetzen. Denn was viele Normalhörende unterschätzen: Für einen großen Teil der Gehörlosen ist die Schriftsprache eine Fremdsprache. Studien unter gehörlosen Jugendlichen haben ergeben, dass 80 Prozent einen erheblichen Rückstand im Textverständnis und Wortschatz aufweisen. Die Ursache liegt darin, dass sich die geschriebene Sprache eng an der gesprochenen Lautsprache orientiert. Das führt dazu, dass Schüler in Studien eine umso schlechtere Lesekompetenz aufweisen, je stärker ihr Hörverlust ist.

Aus diesem Grund verlangt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), dass zumindest öffentliche Stellen seit dem vergangenen Jahr die wesentlichen Inhalte ihrer Websites sowie Hinweise zur Navigation in Deutscher Gebärdensprache bereitstellen müssen. Eine Aufgabe, die ohne gebärdende Avatare kaum zu lösen ist, denn die Zahl der verfügbaren menschlichen Übersetzer ist begrenzt; in Deutschland gibt es nur wenige hundert. Außerdem sind mit Menschen produzierte Videos statisch und somit nicht kurzfristig anpassbar. Dieser Flaschenhals behindert Unternehmen und Behörden dabei, ihre Informationen online zusätzlich in Gebärdensprache mitzuteilen. Avatare ließen sich hingegen schnell verändern und beliebig skalieren.

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